Homeoffice oder Gehalt?
Die Coronapandemie hat nicht nur Videokonferenzen und hybride Arbeitsmodelle etabliert. Sie hat auch einen Mentalitätswandel ausgelöst, der in manchen Ländern tiefer geht als erwartet.
In den USA würden inzwischen 40 Prozent der Arbeitnehmer auf mindestens fünf Prozent ihres Gehalts verzichten, um weiter von zu Hause aus arbeiten zu dürfen.
Jeder fünfte würde sogar auf zehn Prozent verzichten, und jeder zehnte sogar auf 20 Prozent. Dies zeigt eine Studie, die im renommierten Journal of Economics & Management Strategy erschienen ist.
In Deutschland dagegen dominiert die Vorsicht. Einer exklusiven Civey-Umfrage zufolge wären hierzulande nur 16 Prozent der Berufstätigen bereit, Lohneinbußen für das Homeoffice in Kauf zu nehmen.
Das zeigt: Während Amerikaner Flexibilität zunehmend höher bewerten als ihr Gehalt, hängen deutsche Arbeitnehmer stärker an ihrem monatlichen Einkommen.
Lohnverzicht gegen Homeoffice
Dass solche hypothetischen Überlegungen längst Realität sind, demonstrierte die Londoner Kanzlei Stephenson Harwood bereits vor drei Jahren. Sie bot ihren Mitarbeitenden an, dauerhaft von zu Hause zu arbeiten – allerdings gegen einen Lohnabschlag von 20 Prozent.

Wer hybrid bleiben wollte, also einige Tage pro Woche im Büro erschien, musste keine Kürzungen fürchten. Zwar kommentiert die Kanzlei heute nicht mehr öffentlich, wie das Modell angenommen wurde, doch es zeigt: Arbeitgeber experimentieren längst mit neuen Arbeits- und Vergütungsmodellen.
Produktivität als Schlüssel – Wer bleibt lieber daheim?
Die Bereitschaft, Gehalt aufzugeben, variiert stark je nach individueller Produktivität. Arbeitnehmer, die sich selbst als besonders leistungsfähig im Homeoffice einschätzen, sind auch besonders kompromissbereit: Fast 60 Prozent von ihnen würden auf fünf Prozent Gehalt verzichten, ein Viertel sogar auf zehn Prozent.
Wenig überraschend: Personen, die im Homeoffice schlechter arbeiten, zeigen deutlich weniger Bereitschaft, finanzielle Einbußen zu akzeptieren.
Ein weiteres interessantes Detail: Jüngere Mitarbeiter sind offener für Gehaltsverzicht als ältere. Wer noch nicht lange in einem Unternehmen tätig ist, schätzt den physischen Austausch im Büro offenbar weniger – oder wählt gezielt Arbeitgeber, die flexible Modelle anbieten. Das deutet auf einen Generationenwechsel in den Erwartungen an die Arbeitswelt hin.
Frauen zeigen mehr Kompromissbereitschaft
Auch das Geschlecht spielt eine Rolle. Frauen sind laut Studie eher bereit, für das Homeoffice Gehaltseinbußen zu akzeptieren als Männer.
Allerdings lässt sich dieser Unterschied nicht auf klassische Rollenbilder oder Betreuungsverpflichtungen zurückführen: Sowohl bei Eltern als auch bei kinderlosen Beschäftigten blieb das Muster bestehen.
Homeoffice als Wettbewerbsvorteil
Unternehmen, die auf eine rigorose Rückkehrpflicht setzen, laufen Gefahr, talentierte Mitarbeiter an flexiblere Wettbewerber zu verlieren.
In den USA befeuert die Homeoffice-Freiheit inzwischen aktiv die Mobilität am Arbeitsmarkt – ein Trend, der auch in Deutschland an Dynamik gewinnt, wenn auch in abgeschwächter Form.
Für Firmen bedeutet dies: Wer künftig auf reine Präsenzmodelle setzt, könnte in einem ohnehin angespannten Arbeitsmarkt ins Hintertreffen geraten. Flexibilität bleibt ein entscheidender Faktor im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte – selbst wenn dies für Arbeitgeber bedeutet, neue Wege bei der Vergütung zu beschreiten.
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