Vom Spiele-Ankauf zur Elektronikmaschine
Aus einer Tauschbörse für Games wurde ein Marktplatz für Technik: 2004 als trade-a-game gestartet, 2009 in Rebuy umbenannt, heute 600 Mitarbeitende an vier Standorten, Hauptsitz Berlin.
Neunzig Prozent des Geschäfts kommen aus Deutschland, der Rest aus Österreich, Niederlanden, Frankreich, Italien und Spanien. Seit 2019 führt Philipp Gattner die Firma – mit der klaren Ansage: mehr Elektronik, weniger Abhängigkeit vom Mediengeschäft.
Das Bestseller-Rezept – „neuestes iPhone minus zwei Jahre“
Die Nachfrage ist berechenbar: Am häufigsten wandern iPhones über den virtuellen Tresen – typischerweise das Modell von vor zwei Jahren.
Ein iPhone 14 mit 128 GB kostet im „guten“ Zustand rund 350 Euro, im „exzellenten“ etwa 400 Euro. Neu liegt es knapp unter 600 Euro. Der Preisabstand von rund 40 Prozent trifft den Nerv: spürbar günstiger, technisch alltagstauglich, mit grünem Beifang.

Wachstum gegen den Strich – aber mit Handbremse
2024 setzte Rebuy 222 Millionen Euro um, nach 216 Millionen im Jahr davor – erneut Rekord, jedoch nur rund sechs Prozent Plus. Profitabel ist der Händler trotzdem.
Der Flaschenhals liegt nicht im Verkauf, sondern im Ankauf: Es könnte mehr abgesetzt werden, wenn mehr Geräte hereinkämen. Der Primärmarkt hilft dabei derzeit wenig – Kundinnen und Kunden nutzen Smartphones länger, der klassische Zweijahresrhythmus ist auf drei Jahre gestreckt.

Der Mix zählt – wenige Elektronikstücke, viel Medienvolumen
Drei Viertel des Umsatzes stammen inzwischen aus Elektronik: Smartphones, Tablets, Kameras, Kopfhörer. In Stückzahlen dominiert hingegen das Mediengeschäft. 2024 verkaufte Rebuy über acht Millionen Medienartikel, rund 70 Prozent davon Bücher.
Elektronikstücke waren es etwa 500.000 – bei durchschnittlich 300 Euro pro Artikel dennoch die Ertragssäule. Innerhalb der Technik führt das Smartphone (ca. 300.000 Geräte 2024), gefolgt von Tablets, MacBooks und Konsolen.
Robotik statt Schraubenzieher – Skalierung im Backoffice
Damit aus gebrauchten Handys verlässliche Produkte werden, hat Rebuy die Qualitätsprüfung weitgehend automatisiert.
In Berlin-Siemensstadt läuft seit 2024 ein neuer Standort, an dem Roboter den Check übernehmen; in Poznań werden komplexere Geräte wie DSLR-Kameras geprüft und repariert. Der Serviceanker: drei Jahre Garantie auf funktionsfähige Ware – in der Branche alles andere als Standard.

Die Strategie – Elektronik nach vorn, Medien als Renditeanker
Rebuy schichtet Ressourcen Richtung Technik um: In der App soll der Verkauf von Smartphones und Laptops so friktionsarm sein wie das Barcode-Scannen bei Büchern. Medien bleiben dennoch wichtig – eine reife, profitable Kategorie, die Planbarkeit bringt.
Die Wachstumsprojektion steht: rund zehn Prozent pro Jahr in Elektronik, drei bis sechs Prozent in Medien. Zielmarke: in fünf Jahren eine halbe Milliarde Euro Umsatz.

Wettbewerb – Momox links, MediaMarkt rechts
Der Berliner Nachbar Momox ist mit 377 Millionen Euro größer, setzt aber klar auf Medien und hat Elektronik zweimal heruntergefahren. Rebuy will genau hier vorbeiziehen – mit Garantie, Prozessgeschwindigkeit und stärkerer Elektronik-Fokussierung.
Auf der anderen Seite rückt MediaMarkt-Saturn in die Nische vor, allerdings mit Gutschein statt Cash beim Ankauf. Vorteil für Rebuy: Bares ist für viele Kundinnen und Kunden der stärkere Anreiz, Geräte abzugeben. Nachteil: Der Handelsriese bringt Reichweite und Marketingdruck mit – und kann schneller testen, was skaliert.
Der Engpass bleibt – und ist zugleich der Burggraben
Recommerce skaliert nur so schnell, wie die Ankaufspipeline fließt. Wer den bequemsten, transparentesten Weg bietet, die alte Technik zu Geld zu machen, gewinnt.
Rebuy setzt auf Prozessvorsprung (App-Onboarding, Sofortpreise, Logistik), doch die Konkurrenz kopiert schnell. Entscheidend wird, ob der Qualitätscheck samt Garantie so zuverlässig bleibt, dass Rückläufer niedrig und Bewertungen hoch sind. Das ist Marge – oder Newsflow.
Risiko-Radar – Zyklus, Regulierung, Restwert
Längere Nutzungsdauern drücken die Stückzahlen, Preisdruck im Neumarkt verschiebt Restwerte. Regulatorik (Reparierbarkeits- und Kreislaufvorgaben) kann helfen – oder Prozesse verteuern. Und das internationale Geschäft ist noch klein: Neunzig Prozent Deutschland machen Rebuy verwundbar für lokale Nachfrageschwächen.

Was jetzt die Musik macht
- Ankauf-„Friction“: Wie schnell ist der Weg von der Schublade zur Auszahlung?
- Qualität & Garantie: Drei Jahre sind ein Versprechen – und eine Kostenstelle.
- Unit Economics je Kategorie: Bücher stabilisieren, Elektronik treibt.
- Wiederverkaufszyklen: iPhone-Wellen antizipieren, Android-Streuungen managen.
- Reichweite vs. Marke: Gegen Handelsriesen hilft nur: besserer Prozess, messbar bessere Ware.
Der Punkt zum Schluss
Rebuy hat den Plan, die Werkzeuge und die Nische. Wenn die Ankaufspipeline breit bleibt und die Robotik hält, was sie verspricht, ist die Umsatzverdoppelung kein Luftschloss. Scheitert die Beschaffung, bleibt der „minus zwei Jahre“-Vorteil Theorie. Der Markt ist da – die Frage ist nur, wer ihn am schnellsten und saubersten abwickelt.
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