Ein stiller Zukauf mit strategischem Gewicht
Gucci, Saint Laurent, Balenciaga – die Marken des französischen Luxuskonzerns Kering sind weltweit bekannt.
Weniger prominent, aber wirtschaftlich zunehmend relevant: das Brillengeschäft. Mit der Übernahme des italienischen Glasteilespezialisten Lenti schärft Kering nun erneut sein Profil als ernstzunehmender Player im Eyewear-Segment.
Lenti ist kein Hersteller von Endprodukten für Laufstege oder Luxusvitrinen. Das Unternehmen mit Sitz in Norditalien ist seit Jahrzehnten auf die präzise Formgebung und Veredelung von Sonnenbrillengläsern spezialisiert – für den Modebereich ebenso wie für technische Anwendungen in der Automobil- und Lichtindustrie.
Bislang war Lenti Teil der börsennotierten Safilo-Gruppe, einem der ältesten Brillenanbieter Italiens. Nun gehört der Spezialist zu Kering – ein Schritt, der aufhorchen lässt.
Von Lizenzmodellen zur vertikalen Kontrolle
Der Brillenmarkt war für Luxusmarken lange Zeit ein Nebenschauplatz. Verträge mit Lizenznehmern wie Luxottica oder Safilo sorgten dafür, dass Namen wie Gucci oder Balenciaga auf Gestellen landeten, deren Produktion und Vermarktung ausgelagert war. Diese Zeiten sind vorbei.
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Kering verfolgt seit Jahren eine Strategie der vertikalen Integration: Design, Herstellung, Vertrieb – alles unter eigener Kontrolle.
Die Übernahme von Lenti ist bereits die dritte gezielte Maßnahme innerhalb weniger Monate: Erst im April hatte Kering den Brillenproduzenten Visard übernommen und sich an Mistral beteiligt, einem weiteren Spezialisten im High-End-Bereich.
Brillen sind für Kering längst mehr als Zubehör. Sie sind Margenbringer, Imageträger und zunehmend technologischer Spielplatz.
Made in Italy, gedacht für morgen
Mit Lenti holt sich Kering nicht nur Know-how ins Haus, sondern auch Produktionskapazität – und vor allem: Herkunft. „Made in Italy“ bleibt im Luxussegment ein wertvolles Siegel, insbesondere für Konsumenten aus Asien, Nordamerika und dem Nahen Osten.
Die Brillenlinien der Luxusmarken dienen längst nicht mehr nur der Mode. Immer häufiger sind sie integraler Bestandteil der Markenidentität. Wer eine Sonnenbrille von Saint Laurent kauft, will nicht einfach UV-Schutz – sondern ein Statement.
Die Brillensparte entwickelt sich damit zur eigenständigen Ertragsquelle, die unabhängig von Konjunkturschwankungen im Fashion-Geschäft funktioniert.
Technik trifft Stil: Kering, Google und die Brille von morgen
Ein weiteres Puzzlestück in Kerings Brillenstrategie: die Kooperation mit Google, die kürzlich publik wurde. Gemeinsam entwickelt man Brillen, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind – etwa zur personalisierten Anpassung von Sehfunktionen, Gestensteuerung oder Informationen in Echtzeit.
Was bislang noch nach Science-Fiction klingt, ist der ernsthafte Versuch, sich frühzeitig auf eine Zukunft vorzubereiten, in der Technologie und Luxus verschmelzen. Lenti könnte dabei nicht nur bei der Glasverarbeitung, sondern auch bei technologischen Spezialbeschichtungen eine Rolle spielen.
Ein Markt im Umbruch – mit Chancen für Kering
Der globale Eyewear-Markt ist ein Milliardenbusiness. Laut Statista lag der Umsatz 2024 bei über 160 Milliarden US-Dollar – Tendenz steigend.
Treiber sind neben dem anhaltenden Modeboom auch alternde Bevölkerungen, wachsende Sehprobleme durch digitale Geräte und neue Absatzmärkte in Schwellenländern.
Konkurrenten wie LVMH setzen bisher noch stark auf Lizenzmodelle. Kering dagegen baut sein eigenes System auf – kleiner, direkter, kontrollierter. Die Expansion im Brillensegment ist langfristig angelegt. Lenti ist kein spektakulärer Deal. Aber ein strategisch cleverer.
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