15. Mai, 2025

Finanzen

Wie „InvestForWomen“ das Vertrauen von Anlegerinnen verspielt

Das selbsternannte Female-Finance-Portal verspricht Unabhängigkeit – und verkauft stattdessen provisionsgetriebene Produkte, fragwürdige Tipps und dubiose Expertise. Die Geschichte eines gefährlichen Empowerment-Märchens.

Wie „InvestForWomen“ das Vertrauen von Anlegerinnen verspielt
„Kostenlose Beratung“ – doch dahinter stecken Versicherungsabschlüsse mit teils vierstelligen Provisionen, die das Portal nicht transparent offenlegt.

Von Anfang an war der Ton laut – und die Substanz dünn. Wer Instagram öffnet und nach „finanzieller Freiheit für Frauen“ sucht, landet schnell bei InvestForWomen.

Zwischen rosafarbenem Empowerment, Aufrufen zur Selbstliebe und frei erfundenem Finanzwissen posieren dort junge Frauen in Blazern mit der Botschaft: „Du brauchst keinen Banker – nur uns.“ Das Problem: Genau das Gegenteil scheint der Fall.

C. H. hat Investforwomen 2 Sterne gegeben. Ganze Bewertung ansehen ...
Laut dem Internetauftritt wird vermittelt, das hier von Frauen FÜR Frauen gearbeitet wird. Das…

Das Kieler Unternehmen um Gründerin Jenny Walter inszeniert sich als moderne Antwort auf verstaubte Finanzberatung – dabei reproduziert es genau die Intransparenz, gegen die es vorgibt zu kämpfen.

Hinter dem Feminismus lauert das Provisionsgeschäft

Die zentrale Botschaft der Plattform ist einfach gestrickt: Wer als Frau nicht investiert, wird arm. Diese Angst wird systematisch befeuert – und in „kostenlose“ Beratungsgespräche überführt, bei denen am Ende nicht selten Versicherungsverträge stehen.

Was klingt wie Aufklärung, ist in Wahrheit Vertrieb. Und zwar provisionsbasiert. Bis zu 2.880 Euro kassiert eine Beraterin bei einer durchschnittlichen Police. Nachzulesen? Nirgends. Offen kommuniziert? Fehlanzeige.

Jenny Walter verteidigt sich auf Nachfrage: Das sei „branchenüblich“. Und tatsächlich: Provisionsmodelle sind legal – nur nicht unabhängig.

Abrechnung mit Trade Republic – ohne Sachkenntnis

In mehreren YouTube-Videos lässt die Plattform ihrer Wut freien Lauf. Besonders der Neobroker Trade Republic bekommt sein Fett weg: Er liefere angeblich „systematisch schlechte Kurse“.

Trotz fehlender Qualifikation in Finanzberatung preisen einige Beraterinnen komplexe Anlagestrategien an – zulässig ist das laut Gesetz nur mit §34f-Erlaubnis.

Belegt wird das nicht. Auch der MSCI World, weltweit einer der am breitesten gestreuten Indizes, wird kurzerhand als „Bullshit“ abgetan. Die Begründung: Zu viel USA, zu wenig Diversifikation.

Dass der empfohlene S&P 500 ausschließlich aus US-Werten besteht, fällt der Gründerin offenbar nicht auf – oder ist ihr egal. Hauptsache: laut. Hauptsache: gegen den Mainstream. Hauptsache: irgendwas mit Female Finance.

Qualifikation? Unbekannt

Ein Blick hinter die Kulissen offenbart ein weiteres Problem: Die Beraterinnen auf der Plattform haben keinen dokumentierten Finanzhintergrund. Laut LinkedIn arbeiteten sie zuvor als Tanzlehrerin, Projektassistentin oder im Büromanagement.

Ob sie zwischenzeitlich eine Weiterbildung im Finanzbereich gemacht haben, ist unklar – angegeben wird nichts. Offenheit? Transparenz? Bei einem Portal, das täglich von finanzieller Aufklärung spricht, sucht man sie vergeblich.

Und obwohl InvestForWomen in der Öffentlichkeit gern den Eindruck erweckt, alles „aus einer Hand“ zu machen, darf das Unternehmen de jure gar keine echten Geldanlagen vertreiben.

Anni hat Investforwomen 3 Sterne gegeben. Ganze Bewertung ansehen ...
Hab länger überlegt, was ich schreibe. Anfangs ist die Betreuung gut. Aber wenn die Katze sozus…

Aktien, Fonds, ETFs? Dafür braucht es §34f-Zulassungen – die fehlen. Walter verweist auf „Kooperationspartner“. Namen nennt sie nicht.

Kritik? Wird gelöscht.

Auf YouTube schlug die Welle der Empörung hoch. Hunderte Kommentare hinterfragten Aussagen, Methoden und Seriosität. Reaktion der Plattform? Kommentarfunktion deaktiviert.

Öffentlich begründet mit „Schutz der Community“. Tatsächlich aber eher der Schutz einer Fassade, die längst bröckelt. Wer widerspricht, wird ausgeblendet – keine neue Taktik im Influencer-Business, aber eine gefährliche in der Finanzwelt.

"Empowerment" als Verkaufsargument

Mit feministischem Vokabular, dramatischer Rhetorik und glitzernden Versprechen lockt InvestForWomen genau jene Zielgruppe an, die ohnehin schon besonders verletzlich ist: junge Frauen, die sich in der Männerdominierten Finanzwelt endlich ernst genommen fühlen wollen.

Was sie bekommen, ist eine Mischung aus Halbwahrheiten, Versicherungsverträgen und fragwürdiger Beratung. Das ist nicht Aufklärung, das ist Täuschung.

Wo bleibt die Aufsicht?

Dass ein derart intransparentes Geschäftsmodell überhaupt so lange öffentlich bestehen kann, ist ein Armutszeugnis – auch für die Aufsichtsbehörden. Verbraucherschützer warnen seit Jahren vor „Coaching-Modellen“, bei denen Beratung mehr Schein als Sein ist.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Industrie- und Handelskammern müssten hier konsequenter hinschauen.

Denn wer sich auf Schutzvorschriften wie §34d (Versicherungsmakler) oder §34f (Finanzanlagenvermittler) beruft, sollte auch nachweisen, dass das Regelwerk eingehalten wird. Bei InvestForWomen bleiben zentrale Fragen offen: Wer hat welche Zulassung? Wer übernimmt rechtlich die Verantwortung? Wer haftet im Schadensfall?

Vertrauen verspielt

InvestForWomen ist kein Finanzportal. Es ist ein Verkaufsapparat im Instagram-Kostüm. Ein Unternehmen, das Unsicherheit instrumentalisiert, um Policen zu verkaufen. Ein Ort, an dem Finanzbildung zur Fassade wird – und hinter der sich Provisionsziele und Intransparenz verstecken.

Es ist das Gegenteil von dem, was es vorgibt zu sein. Und damit ein Paradebeispiel dafür, wie aus dem Boom um Female Finance ein gefährlicher Irrweg werden kann.

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