Frachtraum des A350F: Bis zu 111 Tonnen Fracht bei rund 8700 Kilometern Reichweite – Airbus setzt auf hohe Nutzlast und Effizienz, um Boeing Marktanteile streitig zu machen.
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Wie der A350F das letzte Boeing-Monopol zerschlägt
Mit dem neuen Frachtflieger A350F dringt Airbus in das letzte exklusive Revier des US-Rivalen Boeing vor. Eine milliardenschwere Bestellung aus Saudi-Arabien zeigt: Der Kampf um die Lufthoheit im Cargo-Markt hat begonnen.
Als der dreifarbige Rauch der französischen Kunstflugstaffel noch über dem Rollfeld der Paris Air Show schwebte, begann Airbus bereits mit dem, was dem Rivalen Boeing künftig schlaflose Nächte bereiten dürfte: Angriff auf das letzte verbliebene Monopol im Flugzeugbau — den Markt für Großraum-Frachtflugzeuge.
Gleich am Eröffnungsmorgen meldete Airbus einen Milliardenauftrag aus Saudi-Arabien. 22 Maschinen des neuen Typs A350F orderte der aufstrebende Leasinganbieter Avilease. Ein symbolträchtiger Deal.
Denn bislang dominierte Boeing mit seinen 777-Frachtern den gesamten Markt fast konkurrenzlos. Airbus hingegen war jahrelang nur Zuschauer. Jetzt aber sind die Karten neu gemischt.
Fracht statt Passagiere – und erstmals ernsthafte Konkurrenz für Boeing
Der A350F basiert technisch auf der erfolgreichen Passagierversion A350-1000. Doch an Bord werden keine Urlauber Platz nehmen. Stattdessen: bis zu 111 Tonnen Fracht, die über Distanzen von maximal 8700 Kilometern transportiert werden können.
Möglich machen das die beiden Rolls-Royce-Triebwerke und die aus modernen Verbundmaterialien gefertigte Zelle. Rund 70 Prozent des Flugzeugs bestehen aus diesen leichten, hochfesten Materialien – das reduziert das Startgewicht um rund 30 Tonnen gegenüber dem Boeing-Pendant 777F.
Für die Logistikbranche sind das keine akademischen Werte, sondern handfeste Kostenvorteile. Denn jedes eingesparte Kilo zahlt sich beim Treibstoffverbrauch unmittelbar aus – ein zentraler Faktor in einem Geschäft, in dem Margen ohnehin eng kalkuliert sind.
Warum Avilease auf Airbus setzt – und Boeing unter Druck gerät
Die Entscheidung aus Saudi-Arabien fiel erst nach intensiven Verhandlungen. Noch kurz vor der Vertragsunterzeichnung verglich Avilease-Chef Edward O’Byrne die Angebote beider Hersteller bis ins Detail.
Der A350F auf der Paris Air Show: Mit dem neuen Frachter drängt Airbus erstmals in das Frachtsegment vor, das Boeing jahrzehntelang nahezu allein beherrscht hat.
Dass letztlich Airbus den Zuschlag erhielt, dürfte auch an einem entscheidenden Reichweitenvorteil gelegen haben: Während Boeings 777 maximal 8167 Kilometer schafft, kommt der A350F auf über 8700 Kilometer. Für transkontinentale Expressdienste kann dieser Unterschied das Zünglein an der Waage sein.
Auch bei Zuverlässigkeit und Effizienz punktet der europäische Neuling. Der A350F übernimmt große Teile der Technik und Infrastruktur der Passagierversion.
Für die Betreiber bedeutet das: besser verfügbare Ersatzteile, geringere Wartungskosten und optimierte Schulung der Crews. Im harten Konkurrenzkampf der globalen Logistikketten könnten diese Vorteile den Ausschlag geben.
Die überalterte Frachterflotte als Chance für Airbus
Der Zeitpunkt für den Markteintritt könnte kaum besser gewählt sein. Nach Jahren der Stagnation steht die Luftfracht vor einem neuen Boom, nicht zuletzt durch den weltweiten Onlinehandel.
Gleichzeitig ist die bestehende Frachterflotte in die Jahre gekommen. Viele Maschinen stammen noch aus Passagierbeständen und wurden lediglich umgebaut. Zwar sind diese Umbauten kostengünstig, doch sie erkaufen die Betreiber sich mit deutlich höheren Ausfallraten und teurem Wartungsaufwand.
„Im Expressgeschäft zählt heute jede Stunde“, sagt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.
DHL, UPS & Co. setzen zunehmend auf maximale Zuverlässigkeit. Schon wenige Stunden Verspätung können empfindliche Vertragsstrafen auslösen. Airbus verspricht für den A350F eine Einsatzbereitschaft von 99,5 Prozent — eine Zielmarke, die in der Branche hoch gehandelt wird.
Ein Milliardenmarkt öffnet sich
Für Airbus steht mehr auf dem Spiel als nur ein einzelner Großauftrag. Der Markt für Frachtflugzeuge wächst rapide. Der europäische Hersteller geht von weltweit rund 970 neuen Frachtern aus, die in den kommenden 20 Jahren benötigt werden – ein Marktvolumen im dreistelligen Milliardenbereich. Mit aktuell 85 Bestellungen für den A350F hat Airbus bereits einen vielversprechenden Start hingelegt.
Dass Boeing nervös geworden ist, zeigt sich an der Reaktion aus Seattle. Der US-Hersteller zog die Entwicklung der 777-X-Frachtversion vor, um dem neuen Konkurrenten etwas entgegenzusetzen.
Der A350F zwingt Boeing damit erstmals seit Jahrzehnten, sein Frachterprogramm aktiv zu verteidigen. Ein historischer Moment in einem bislang starren Duopol.
Rolls-Royce-Triebwerke am A350F: Moderne Antriebstechnik und der hohe Anteil an Verbundwerkstoffen verschaffen Airbus im Vergleich zur älteren Boeing-777-Generation einen klaren Effizienzvorteil.
Strategische Signalwirkung für den gesamten Luftfahrtmarkt
Der Erfolg des A350F hat weitreichende Bedeutung über den Frachtmarkt hinaus. Mit dem Einstieg ins Frachtersegment rundet Airbus sein Produktportfolio strategisch ab. Die Europäer sind nun in sämtlichen zivilen Flugzeugklassen konkurrenzfähig — und setzen Boeing damit auf breiter Front unter Druck.
Für Saudi-Arabien wiederum ist der Deal Teil einer langfristigen Strategie: Das Königreich will zur logistischen Drehscheibe zwischen Asien, Europa und Afrika aufsteigen.
Dafür werden moderne Frachtflugzeuge gebraucht – und verlässliche Lieferanten. Mit dem Auftrag an Airbus stellt Riad die Weichen für seine ehrgeizigen Pläne.
Der letzte weiße Fleck auf der Airbus-Landkarte schließt sich
Mit dem A350F schließt Airbus die bislang letzte Lücke in seiner zivilen Flotte. Boeing verliert damit nicht nur einen lukrativen Alleinmarkt, sondern auch ein wichtiges Argument bei künftigen Großverhandlungen mit Airlines und Leasinggesellschaften. Der Wettbewerb in der Luftfahrt wird intensiver – und für Boeing gefährlicher.