Das große Versprechen
Es war alles angerichtet. Autodoc, ein bis dahin öffentlich kaum bekanntes Berliner Start-up, wollte 2021 mit Wucht an die Börse. Das Geschäft lief, der Umsatz kratzte an der Milliardengrenze, die Gewinne sprudelten, und die Banker versprachen eine Bewertung von bis zu sechs Milliarden Euro.
Eine Startup-Story wie aus dem Lehrbuch: drei Gründer, kein Wagniskapital, volles Eigentum – und plötzlich auf Augenhöhe mit Zalando oder Auto1.
Der Börsengang war minutiös vorbereitet, die Präsentationen liefen, das Interesse der Investoren war da. Dann kam ein interner Alarm – und alles wurde abgeblasen.
Der Schatten der Vergangenheit
Was das Börsenteam stoppte, war ein interner Bericht. Es ging um Max Wegner, einen der drei Mitgründer. Vor Autodoc hatte er unter dem Namen Maksim Samov eine Firma namens Klik Media gegründet.
Diese war laut internationalen Sicherheitsforschern mit fragwürdiger Software in Verbindung gebracht worden. Der Vorwurf: Nutzer seien zum Download gefälschter Anti-Virenprogramme verleitet worden. Es gab sogar Hinweise auf Kontakte zu Gruppen, gegen die das FBI Jahre später ermittelte.
Für J.P. Morgan und Goldman Sachs war das zu heikel. Als das Risikokomitee der US-Großbank sein Veto einlegte, war klar: Dieser Börsengang findet nicht statt.
Zerplatzter Traum, stille Millionen
Der öffentliche Knall blieb aus, doch hinter den Kulissen begann die Suche nach einem Plan B. Ex-CEO Christian Gisy versuchte, Private-Equity-Firmen ins Boot zu holen. Eine Beteiligung, später vielleicht ein erneuter Börsengang. Doch die Gründer wollten keine Macht abgeben. Das Projekt versandete.
Für die Gründer Erdle, Kungel und Wegner war das verkraftbar. Zwischen 2020 und 2023 schütteten sie sich rund 170 Millionen Euro Dividenden aus – das nötige Kleingeld kam teils aus neu eingerichteten Kreditlinien. Auch ohne IPO war Autodoc ein Geldautomat.
Car parts retailer Autodoc plans German IPO, bookrunner says https://t.co/mar4Ufi7TC https://t.co/mar4Ufi7TC
— Reuters (@Reuters) June 6, 2025
Neustart mit System
Jetzt, vier Jahre später, wirkt vieles anders. Die Firma ist mittlerweile eine SE, hat sich personell neu aufgestellt und mit Apollo Global Management einen prominenten Minderheitsinvestor gewonnen.
Der neue CEO Dmitry Zadorozhny, ein Softwareentwickler aus Moldau, ist ein Eigengewächs. Als Finanzchef wurde Lennart Schmidt geholt, früher bei VW. Die Gründer sind in den Aufsichtsrat gewechselt, schauen aus sicherer Distanz auf ihr Lebenswerk.
Mit Citi, Barclays, Deutsche Bank und Jefferies stehen diesmal andere Banken hinter dem Börsengang – und der Ton ist spürbar vorsichtiger.
Solide Zahlen, weniger Hype
Autodoc verkauft weiterhin Ersatzteile – vom Keilriemen bis zum Kühlerdeckel, für über 300 Automarken.
Das Geschäft ist bodenständig, aber skalierbar. 2024 lag der Umsatz bei 1,6 Milliarden Euro, der Gewinn bei 151 Millionen. Im ersten Quartal 2025 wuchsen beide Kennzahlen um rund 20 Prozent. Besonders das Werkstattgeschäft legt kräftig zu.
Die Bewertung wird diesmal keine sechs Milliarden betragen. Apollo ist 2024 zu 2,3 Milliarden eingestiegen – ein deutlicher Realitätscheck. Aber vielleicht genau das, was das Unternehmen jetzt braucht.
Zweiter Versuch, neue Chancen
Der neue IPO soll im Juni über die Bühne gehen. Die Stimmung im Markt ist besser als vor einem Jahr, und Autodoc hat seinen Auftritt sichtbar professionalisiert. Dieses Mal soll nichts mehr schiefgehen.
Ein Wiedersehen mit der Vergangenheit ist unwahrscheinlich. Das Dossier über Max Wegner liegt in der Schublade, geprüft und – laut Unternehmen – entkräftet. Doch der Fall bleibt ein Beispiel dafür, wie schnell Erfolg kippen kann, wenn Investoren das Vertrauen verlieren.
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