25. Juli, 2025

Startups & VC

Wie aus Code Hardware wird – und aus Hardware eine Rüstung

Die US-Firma Diode Computers hat 11,4 Millionen Dollar eingesammelt, um mit KI die Entwicklung von Leiterplatten zu beschleunigen. Kunden aus Rüstung, Robotik und Medizintechnik sollen so Hardware wie Software behandeln können – schnell, skalierbar, geopolitisch gewollt.

Wie aus Code Hardware wird – und aus Hardware eine Rüstung
Hardware made in AI: Diode Computers will den komplexesten Teil der Elektronikentwicklung – das Design von Leiterplatten – automatisieren. Doch Kritiker warnen: Fehler im Code könnten schnell zu Fehlern in der Hardware werden.

Weniger Wochen, mehr Drohnen

Einmal Code reinschicken, ein paar Tage später kommt die Hardware zurück: Was in der Cloud-Ära längst Alltag für Software ist, soll bald auch für Leiterplatten gelten – die grünen Nervenbahnen jeder modernen Elektronik. Das zumindest verspricht das kalifornische Startup Diode Computers, das mit künstlicher Intelligenz die Entstehung gedruckter Schaltungen revolutionieren will.

Diode
Ship hardware, fast. Automate circuit board manufacturing, from design to delivery.

Was früher Wochen bis Monate dauerte, soll nun binnen Tagen funktionieren. Möglich macht das ein AI-gestütztes System, das statt grafischer Designsoftware reinen Code verarbeitet – und auf Wunsch direkt produzieren lässt.

„Wir wollen, dass Leiterplatten so deploybar werden wie Server bei AWS“, sagt Davide Asnaghi, Mitgründer und CEO.

Ein altes Problem trifft auf neue Dringlichkeit

Tatsächlich ist das Problem real – und alt: In der Elektronikentwicklung bremsen oft banale Fehler auf der Platine den gesamten Fortschritt. Für Asnaghi, der früher Chips bei Chromatic entwickelte, war das ein ständiger Frustfaktor. „Es war verrückt: Der hochkomplexe Chip war fertig – aber die einfache Platine sorgte für Verzögerungen.“

Doch die Relevanz des Themas hat sich verändert. Laut Asnaghi fehlt es inzwischen nicht nur an Tempo, sondern auch an Fachkräften: Viele erfahrene Entwickler gehen in Rente, während der Nachwuchs kaum nachkommt. In einer Welt, die immer stärker auf vernetzte Geräte, autonome Systeme und Halbleiter setzt, ist das eine gefährliche Lücke.

Rüstung, Medizin, Raumfahrt – und Kalifornien

Genau hier setzt Diode an. Die Software übersetzt Platinenlayouts in Code, analysiert Fehler, passt Designs produktindividuell an und verspricht damit einen Sprung in Effizienz und Flexibilität.

Die Fertigung läuft zunächst über Partner an der US-Ost- und Westküste, mittelfristig will das Unternehmen aber zum One-Stop-Shop für Elektronik werden – von der Codezeile bis zur gelieferten Platine.


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Besonders stark ist das Interesse in drei Branchen: Robotik, Medizintechnik und Luft- und Raumfahrt. Nicht zufällig sind das Sektoren mit geopolitischer Bedeutung – und hohem Interesse an amerikanischer Fertigung, wie sie Washington zunehmend fordert.

A16z, die Investmentfirma von Andreessen Horowitz, führt die 11,4 Millionen Dollar schwere Series-A-Finanzierung an – auch mit Blick auf nationale Sicherheitsaspekte.

Silicon Valley rüstet auf – im wörtlichen Sinn

Was früher ein Nerdproblem war, ist heute Teil des strategischen Re-Industrializing der USA. Erin Price-Wright, Partnerin bei A16z im Bereich „American Dynamism“, bringt es auf den Punkt: „Man kann sich nicht mehr leisten, nur eine Platine für die 50-jährige Laufzeit eines Flugzeugs zu bauen. Man muss in Monaten denken – nicht in Jahrzehnten.“

Damit spricht sie den tiefgreifenden Wandel an, der Hardwareentwicklung zu einem sicherheitspolitischen Faktor macht. Wer schneller Drohnen, Satelliten oder medizinische Geräte auf den Markt bringt – und das in den USA produziert –, sichert sich geopolitische Vorteile. Diode ist damit nicht nur ein Technologiestartup, sondern längst Teil eines strategischen Wettlaufs.

Wettbewerb? Ja. Tempo? Entscheidend

Ganz allein steht Diode mit seiner Vision nicht da. Marktführer wie Cadence oder Altium dominieren das Geschäft seit Jahren. Auch andere Startups wie Quilter – 2024 mit 10 Millionen Dollar von Benchmark finanziert – versuchen, KI ins Platinenlayout zu bringen. Doch Asnaghi glaubt, dass der entscheidende Vorteil nicht in der Visualisierung liegt, sondern in der Abstraktion durch Code.

Die Software greift dabei auf Large Language Models wie jene von OpenAI und Anthropic zurück, kombiniert mit Reinforcement Learning, um kleinere Modelle für spezifische Designfehler zu trainieren. Das Ergebnis: Weniger Fehler, mehr Automatisierung, schnelleres Iterieren. Was wie ein Tech-Versprechen klingt, wird zum zentralen Argument in Zeiten schrumpfender Zeitbudgets.

Die Wiederentdeckung der physischen Welt

„Wir erleben die Rückkehr der physischen Produkte“, sagt Asnaghi. In einer Wirtschaft, die jahrelang nur noch Plattformen, Apps und Datenzentren kannte, kehrt nun das Interesse an Infra-, Hard- und Industrieanlagen zurück – auch getrieben durch Energiekrisen, Lieferkettenprobleme und neue geopolitische Frontlinien.

Und fast überall braucht es: Platinen.

Ob Windkraft, Halbleiter, Smart Homes oder Rüstung – ohne effizient designte Leiterplatten läuft nichts. Wer diesen Engpass löst, löst mehr als nur ein technisches Problem. Diode Computers will genau das – und platziert sich mit seinem Modell geschickt zwischen Silicon Valley, Washington und einem sich wandelnden Welthandel.

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