29. Mai, 2025

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Warum US-Anleihen ihren „sicheren Hafen“-Status verlieren könnten

Die Vereinigten Staaten drohen ihre fiskalische Glaubwürdigkeit zu verspielen – und damit das Vertrauen globaler Investoren. Die Folge: Ein neuer, weltweiter Wettbewerb um Kapital beginnt. Auch Deutschland wird darin zum Akteur.

Warum US-Anleihen ihren „sicheren Hafen“-Status verlieren könnten
Mit über 7 Billionen Dollar Gesamtausgaben und dauerhaftem Defizit wächst der Druck auf Washington – und auf Investoren, die Vertrauen verlieren.

US-Anleihen wackeln – und mit ihnen ein ganzes Weltfinanzsystem

Lange galten sie als ultimative Rückversicherung für jede Krise: US-Staatsanleihen, sicher, liquide, verlässlich. Doch der Nimbus des „risk free asset“ beginnt zu bröckeln – und das ausgerechnet in einer Phase, in der die USA mehr Kapital denn je benötigen.

Der Grund ist hausgemacht: fiskalpolitische Verantwortungslosigkeit, politischer Machtkampf um die Schuldenobergrenze und Zweifel an der Unabhängigkeit der Federal Reserve.

Zinsstrukturkurve im Alarmmodus

Die Märkte senden längst Signale. Die Prämien für Kredit- und Laufzeitrisiken bei US-Treasuries haben sich massiv ausgeweitet. Für 30-jährige Anleihen liegen sie teils bei 100 Basispunkten – ein Niveau, das sonst eher Schwellenländern vorbehalten ist.

Selbst Vergleiche mit Argentinien machen in Analystenkreisen bereits die Runde, wenn auch mit einem Anflug von Galgenhumor.

Trump, Powell und der Vertrauensbruch

Als Donald Trump im Frühjahr unverhohlen die Absetzung von Fed-Chef Jerome Powell ins Spiel brachte, reagierten die Märkte nervös – mit fallendem Dollar und steigenden Renditen.

Noch nie war das Länderrisiko der USA an den Kapitalmärkten so hoch bewertet – Anleger beginnen, Alternativen zu suchen.

Das war kein normaler Kursausschlag, sondern ein Misstrauensvotum gegenüber der politischen Stabilität der USA. Finanzminister Scott Bessent musste öffentlich beschwichtigen – ein Vorgang, der in der Vergangenheit undenkbar gewesen wäre.

7 Billionen Dollar Ausgaben – aber kaum Spielraum

Die Haushaltslage in Washington ist längst außer Kontrolle. In den vergangenen zwölf Monaten beliefen sich die US-Staatsausgaben auf über 7 Billionen Dollar. Davon allein 1 Billion für Zinsen – ein neuer Rekord.

Das strukturelle Defizit wird zunehmend durch die Emission neuer Anleihen finanziert. Und weil die Schuldenobergrenze de facto zur politischen Waffe geworden ist, wächst das Misstrauen der Kapitalmärkte weiter.

Ein globales Ringen um Kapital beginnt

Während die USA um Vertrauen ringen, startet Europa eine eigene Kapitaloffensive. Deutschland plant allein in diesem Jahr Emissionen über 380 Milliarden Euro – mit steigender Tendenz.

Investitionen in Infrastruktur, Verteidigung und Digitalisierung werden über neue Laufzeiten refinanziert. Der Strategiewechsel der Bundesregierung, weg von eiserner Sparpolitik hin zu aktiver Fiskalsteuerung, ist ein Bruch mit alten Dogmen – und ein Paradigmenwechsel am europäischen Anleihemarkt.

Ein „Game Changer“ für Bundesanleihen

Axel Botte von Ostrum Asset Management nennt die Neujustierung des deutschen Anleihemarkts einen Wendepunkt.

Neue Laufzeiten, größerer Volumenmix, gezielte Ansprache internationaler Investoren: Der Bund rüstet sich für den Wettbewerb mit den USA – und bietet dabei ein zunehmend attraktives Gegenmodell zur US-Verschuldungsspirale.

Rendite als neue Eintrittskarte

Wer globales Kapital will, muss liefern – nicht nur bei der Bonität, sondern auch bei der Rendite. Die Zeiten, in denen sich Staaten Geld zum Nulltarif leihen konnten, sind vorbei.

Die wachsende Zahl von Emittenten – von Japan bis zur EU – verschärft den Druck. Auch das Ende der Liquiditätsflut durch die Notenbanken zwingt Staaten, ihre Platzierungsstrategien zu überdenken.

Japan, China, EU – das neue Kapitaldreieck

Japanische Pensionsfonds könnten sich angesichts attraktiverer heimischer Anleihen aus dem Ausland zurückziehen – mit weitreichenden Folgen für US-Treasuries.

Gleichzeitig nimmt die EU zunehmend Fahrt auf beim Aufbau eines echten europäischen Referenzmarkts für AAA-Anleihen. Die Nachfrage nach Sicherheit in Euro steigt – und wird durch EU-Bonds und Bundespapiere gedeckt.

US-Politik in der Pflicht – Vertrauen lässt sich nicht drucken

Die zentrale Frage bleibt: Gelingt es den USA, das Vertrauen der Märkte zu stabilisieren? Oder wird die Ungewissheit über Schuldenobergrenze, Haushaltsprioritäten und politische Eingriffe zur systemischen Schwäche?

Anleger sind zunehmend bereit, ihre Kapitalströme neu zu kalibrieren. In einem Umfeld wachsender geopolitischer Spannungen könnte das Folgen haben, die über Anleihemärkte hinausreichen.

Kapital kennt keine Loyalität

Wer heute Anleihen emittiert, konkurriert nicht mehr nur mit sich selbst oder seiner Vergangenheit – sondern mit einem globalisierten Kapitalmarkt, der politisches Chaos, fiskalische Disziplin und Inflationsszenarien präzise gegeneinander abwägt. Die USA haben ihren Vorsprung nicht verloren, aber sie verspielen ihn.

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