Warnung aus dem Silicon Valley
„Die Plattform, die in China gewinnt, wird global dominieren.“
Mit diesem Satz ließ Nvidia-Chef Jensen Huang aufhorchen – mitten in der Präsentation überragender Quartalszahlen. Während die Zahlen des Chipriesen für Euphorie an der Börse sorgten, war Huangs politische Botschaft eine ganz andere: Die US-Politik gefährdet die technologische Führungsrolle der Vereinigten Staaten – und hilft dem Konkurrenten, den man eigentlich bremsen wollte.
Milliardenverluste durch Sanktionen
Konkret geht es um die verschärften Exportregeln für Hochleistungs-KI-Chips, die unter Präsident Trump seit Mitte April gelten. Nvidia darf selbst abgespeckte Versionen seiner KI-Prozessoren nicht mehr nach China liefern.

Der Umsatzverlust allein in diesem Quartal? Acht Milliarden Dollar. Bereits im Vorquartal hatte der Konzern deshalb 4,5 Milliarden Dollar abschreiben müssen. Das ist mehr als Symbolik – das ist ein Angriff auf den global größten KI-Markt.
Das politische Kalkül – und sein Preis
Die Logik der US-Regierung: Wer China von fortschrittlicher KI-Hardware abschneidet, verhindert militärische und technologische Dominanz Pekings.
Doch Huang stellt diese Annahme frontal in Frage: China habe längst eigene KI-Modelle, eigene Chips – und wachse schneller, wenn der Wettbewerb fehle. Die Exportbeschränkungen könnten also genau das Gegenteil bewirken: Sie treiben die chinesische Selbstständigkeit voran und schwächen zugleich Amerikas Industrie.

Ein Déjà-vu mit System
Schon unter Präsident Biden wurden Chips wie Nvidias H100 oder A100 reguliert. Nvidia entwickelte daraufhin den H20 – eine „gedrosselte“ Version, um das China-Geschäft nicht ganz zu verlieren.
Doch seit Trumps Amtsantritt gilt auch für diesen Kompromiss: Exportverbot. Laut Huang ist es technisch nicht möglich, die Chips weiter zu beschneiden, ohne sie wirtschaftlich nutzlos zu machen. Was bleibt, ist ein faktischer Marktausschluss.
Chinas Aufstieg – jetzt ohne US-Wettbewerb
Während sich Nvidia aus China zurückziehen muss, füllen einheimische Anbieter wie Huawei, Alibaba Cloud oder Baidu die Lücke – und zwar schnell. Analysten beobachten bereits, dass chinesische Rechenzentren auf lokal produzierte KI-Beschleuniger umsteigen.
Die US-Konkurrenz fehlt – nicht weil sie nicht mithalten könnte, sondern weil sie nicht darf. Was als geopolitisches Druckmittel begann, droht zur Startbahn für Chinas Tech-Aufstieg zu werden.
Ein Boom – mit angezogener Handbremse
Ironie des Ganzen: Nvidia wächst trotz dieser Rückschläge weiter spektakulär. Der Umsatz kletterte zuletzt um 69 Prozent auf über 44 Milliarden Dollar. Der Gewinn lag bei fast 19 Milliarden. Die Nachfrage nach KI-Chips ist global ungebrochen – und Nvidia liefert. Auch ohne China.
Doch das Potenzial, das dem Unternehmen durch die Exportpolitik entgeht, ist gewaltig – und lässt sich in Dollar wie in geopolitischem Einfluss beziffern.
Politisches Lob mit bitterem Beigeschmack
Huang gibt sich staatsmännisch: Trump wolle, dass Amerika gewinnt. Doch die eigentliche Frage sei nicht, ob China KI habe – sondern auf welchen Plattformen sie laufe.
Der derzeit zweitgrößte Markt der Welt wird systematisch vom Zugang zu amerikanischer Technologie abgeschnitten. Doch statt China zu stoppen, zwingt man es zur Autarkie – mit offenem Ausgang für den globalen Technologiewettlauf.
Die Machtfrage des Jahrzehnts
Was sich hier abzeichnet, ist mehr als ein Handelskonflikt. Es ist ein Wettlauf um die technologische Souveränität im 21. Jahrhundert – und um die Frage, wer die Standards für künstliche Intelligenz setzt.
Der Rückzug aus China könnte für die USA zur strategischen Lücke werden, durch die China hindurchmarschiert. Nvidia hat das erkannt. In Washington scheint man noch zu glauben, dass Abschottung Sicherheit bringt.
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