Helsing auf dem Weg zum Unicorn der neuen Weltordnung
Die Stimmung ist kühl, das Kapital heiß. 600 Millionen Euro in einer Finanzierungsrunde – für ein Rüstungs-Start-up. Nicht in Kalifornien, sondern in München.
Helsing, gegründet 2021, entwickelt künstliche Intelligenz für militärische Anwendungen: Kampfflugzeuge, Kamikazedrohnen, Unterwassersysteme. Jetzt steigt der Spotify-Mitgründer Daniel Ek tiefer ein – und mit ihm ein Bündnis aus Silicon-Valley-Veteranen, Venture-Capital-Fonds und Verteidigungskonzernen.
Mit der neuen Runde wird Helsing mit 12 Milliarden Euro bewertet. Das Unternehmen ist damit eines der wertvollsten Start-ups Europas – und ein Symbol für die militärische Zeitenwende, die Europa gerade in Echtzeit durchläuft.
Warum Daniel Ek voll auf Verteidigung setzt
Es wirkt auf den ersten Blick wie ein radikaler Bruch: Der Mann, der Musik für die Welt demokratisieren wollte, investiert nun in Kriegsführung. Doch für Daniel Ek ist der Schritt logisch. Bereits 2021 – noch vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine – stieg seine Investmentgesellschaft Prima Materia bei Helsing ein.
Jetzt verdoppelt sie ihr Engagement. „Europa muss seine Verteidigungsfähigkeiten massiv ausbauen“, erklärte Ek gegenüber der Financial Times. Und das bedeute auch: Geld in KI-Waffen.

Die neue Runde wurde von Prima Materia angeführt, flankiert von Schwergewichten wie Lightspeed Ventures, Accel, General Catalyst und dem schwedischen Konzern Saab.
Auch neue Akteure wie BDT & MSD Partners stiegen ein. Helsing hat damit insgesamt 1,37 Milliarden Euro eingesammelt – ein seltener Wert selbst im aufgeheizten KI-Markt.
KI-Drohnen made in Germany – und getestet im Krieg
Helsing ist kein PowerPoint-Start-up. Die Technologien des Unternehmens kommen bereits zum Einsatz. Die HX-2, eine Kamikaze-Drohne mit KI-Steuerung, wird in der Ukraine verwendet – eine Art fliegender Algorithmus mit tödlicher Präzision.
Auch die Bundeswehr testet das System. Zusätzlich hat das Unternehmen ein Unterwasser-Drohnenprogramm vorgestellt und entwickelt Software, die selbstständig komplexe Luftkampfszenarien fliegen kann.
Brisant: Helsing beschäftigt sich nicht nur mit dem Erkennen von Bedrohungen, sondern auch mit deren automatisierter Ausschaltung – ein ethisches Minenfeld, das Experten und NGOs gleichermaßen alarmiert.

Ein Start-up wie kein anderes: Helsing will nicht verkaufen, sondern führen
Helsing wurde gegründet von Torsten Reil, einem früheren Videospielentwickler, Niklas Köhler, einem KI-Forscher, und Gundbert Scherf, einst Berater im deutschen Verteidigungsministerium.
Das Trio plant keinen Exit – kein Verkauf an Lockheed Martin, kein Schlucken durch Rheinmetall. Stattdessen: Eigenständigkeit, Börsengang, strategische Partnerschaften. Saab ist bereits mit an Bord. Eine Kooperation mit dem französischen KI-Anbieter Mistral läuft. Eine geplante Allianz mit Rheinmetall scheiterte dagegen spektakulär.
Das Unternehmen positioniert sich als europäische Antwort auf amerikanische Defense-Tech-Riesen wie Palantir oder Anduril, die ihrerseits gerade Milliarden einsammeln. Helsing will Europa eine technologische Stimme in einer zunehmend militarisierten Welt verschaffen.
Die Kritik kommt mit Ansage – doch Ek weicht nicht aus
Schon bei den ersten Investments hagelte es Kritik: Rüstung und Musik – wie passt das zusammen? Künstler boykottierten Spotify, Nutzer riefen zum Abo-Kündigen auf. Daniel Ek blieb gelassen. Auch jetzt rechnet er mit Gegenwind. Aber: „Technologie darf nicht nur in den Händen von autoritären Regimen liegen“, betont er. Es gehe um Verteidigung, nicht Angriff.
Tatsächlich haben viele westliche Länder – nicht zuletzt Deutschland – seit dem russischen Angriff auf die Ukraine eine 180-Grad-Wende vollzogen. Rüstung ist nicht mehr schmuddelig, sondern sicherheitspolitisch notwendig. Helsing reitet diese Welle – mit einem Geschäftsmodell, das Innovation, Rüstung und Kapital auf bisher kaum gekannte Weise verknüpft.
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