Ein Übernahmeangebot wird zur Staatsaffäre
Der Übernahmekampf zwischen der spanischen Großbank BBVA und dem kleineren Konkurrenten Banco de Sabadell entwickelt sich zur politischen Dauerbaustelle.
Was ursprünglich als wirtschaftliche Transaktion begann, ist inzwischen zur nationalen Angelegenheit geworden – mit offenem Ausgang. Spaniens Regierung hat angekündigt, das feindliche Übernahmeangebot BBVAs einer zusätzlichen Prüfung zu unterziehen. Grund: das „allgemeine Interesse“.
Ein Fall für das Kabinett – nicht nur die Kartellwächter
Obwohl die spanische Wettbewerbsbehörde CNMC die Transaktion unter Auflagen bereits durchgewunken hat, zieht die Regierung die Reißleine: Die Entscheidung über das weitere Vorgehen wird nun auf Ministerebene getroffen.
Die Begründung des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Unternehmen lässt aufhorchen – es geht um mehr als nur Marktanteile. Genannt werden potenzielle Auswirkungen auf den Finanzsektor, der regionale Zusammenhalt (Stichwort: Katalonien) und die Sozialpolitik des Landes.
BBVA bleibt cool – Sabadell sieht Rückenwind
BBVA, zweitgrößte Bank des Landes, gibt sich äußerlich gelassen. Man sei über die Entscheidung informiert worden, heißt es in einer knappen Mitteilung.
Intern dürfte man mit einem gewissen Frust auf die Entwicklung blicken – immerhin will die Bank mit der Übernahme nicht nur wachsen, sondern auch Synergien heben und ihren Einfluss auf dem heimischen Markt ausweiten.
Sabadell hingegen sieht in der Regierungslinie offenbar Rückenwind für die eigene Verteidigung. Die Bank, deren Management sich seit Monaten gegen die Übernahme wehrt, betont, man konzentriere sich weiterhin auf die eigenen Pläne.
Diese beinhalten unter anderem eine stärkere Eigenständigkeit und die Positionierung als regionaler Kreditgeber mit sozialem Auftrag.
Katalonien als Achillesferse der BBVA-Offensive
Der geographische Aspekt spielt eine größere Rolle, als viele zunächst vermuteten. Banco Sabadell hat seinen Sitz in Katalonien – einer Region, in der politische Spannungen mit Madrid regelmäßig aufflammen.
Ein zentralistisches Übernahmeangebot einer madrilenischen Großbank an ein katalanisches Institut? Politisch heikel. Die Regierung dürfte genau beobachten, wie sich die Fusion auf Arbeitsplätze in der Region, den Zugang zu Bankdienstleistungen und das wirtschaftliche Gleichgewicht auswirken würde.
Rechtlich zulässig – aber politisch untragbar?
Rein rechtlich ist die Situation klar: Der Staat kann BBVA den Erwerb von Sabadell-Aktien nicht verbieten. Sehr wohl kann er jedoch eine anschließende Fusion blockieren oder den Zusammenschluss mit Auflagen belegen.

Denkbar sind etwa Garantien für Standorte, Filialnetze oder Beschäftigung. Auch ein „sozialer Versorgungsauftrag“ für abgelegene Regionen könnte Teil der Bedingungen werden.
Wirtschaftspolitik gegen Finanzstrategie
Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Wie weit darf ein Staat gehen, um einen funktionierenden Markt zu schützen? Und wann schlägt wirtschaftlicher Pragmatismus in politische Symbolik um?
Die BBVA-Sabadell-Übernahme droht an diesen Fragen zu zerschellen. Zwar könnte das Kabinett die Transaktion noch durchwinken – aber der Preis dafür wird hoch sein. Es geht nicht nur ums Geld, sondern um Vertrauen, Identität und den sozialen Zusammenhalt einer fragmentierten Republik.
Ein Präzedenzfall für Europas Banken?
Die Entwicklungen in Spanien könnten zum Vorbild für andere EU-Staaten werden, in denen die Konsolidierung des Bankensektors auf Widerstand stößt. Wenn wirtschaftlich sinnvolle Fusionen an politischen Erwägungen scheitern, ist das ein Warnsignal – für Investoren, für Aktionäre, für das gesamte europäische Finanzsystem.
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