21. Juli, 2025

Politik

Wadephuls Gratwanderung – Afghanen aufnehmen, Syrer abschieben

Außenminister Johann Wadephul bestätigt die Aufnahmezusage für 2.400 Afghanen mit gültiger Anerkennung – und spricht im selben Atemzug über künftige Abschiebungen nach Syrien. Der neue Kurs der Bundesregierung wirkt widersprüchlich – und wirft grundsätzliche Fragen auf.

Wadephuls Gratwanderung – Afghanen aufnehmen, Syrer abschieben
Außenminister Johann Wadephul (CDU) will Afghanen mit gültiger Aufnahmezusage einreisen lassen – gleichzeitig beendet er sämtliche Programme und lehnt neue Anerkennungen strikt ab.
„Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen“

Mit dieser Formulierung macht Johann Wadephul klar: Was frühere Bundesregierungen in Sachen Afghanistan entschieden haben, bleibt verbindlich – zumindest rechtlich.

Der neue CDU-Außenminister, der seit dem Regierungswechsel mit SPD und Union die deutsche Außenpolitik verantwortet, bestätigte am Wochenende gegenüber der Bild am Sonntag, dass Deutschland afghanische Ortskräfte und gefährdete Personen aufnehmen werde – sofern diese bereits eine rechtsverbindliche Zusage aus dem früheren Aufnahmeprogramm erhalten haben und keine Sicherheitsbedenken bestehen.

Wadephul sagte wörtlich: „Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen und Fehlentscheidungen früherer Bundesregierungen ändern.“ Was auf den ersten Blick nach staatsmännischer Rechtsstaatlichkeit klingt, ist bei genauerem Hinsehen ein Signal für einen radikalen Kurswechsel – und für eine klare Abgrenzung zur Afghanistanpolitik der Ampel.

Denn Wadephul betonte auch: Die Programme seien gestoppt, neue Anerkennungen werde es nicht mehr geben.

„Ich halte den Umfang, in dem derartige Entscheidungen in der Vergangenheit getroffen wurden, für kritikwürdig.“

Aufnahme unter Vorbehalt

In der Praxis bedeutet das: Wer bereits eine gültige Aufnahmezusage hat – etwa als Menschenrechtlerin oder ehemalige Ortskraft – kann nach Deutschland kommen.

Wadephul bringt erstmals öffentlich Abschiebungen nach Syrien ins Spiel – trotz anhaltender Menschenrechtsverletzungen durch das Assad-Regime und fehlender Rechtssicherheit vor Ort.

Die restlichen Fälle – rund 2.400 Afghaninnen und Afghanen, die derzeit in Pakistan auf ein Visum warten – sind laut Auswärtigem Amt „formal anerkannt“. Das Bundesverwaltungsgericht hatte zuletzt in einem Eilverfahren der Klage einer afghanischen Juradozentin stattgegeben. Die Aufnahmebescheide seien „bestandskräftig und nicht widerrufen worden“, so das Gericht.

Wadephul stellt aber klar: Sollte sich bei Einzelfällen herausstellen, dass eine Person eine falsche Identität angegeben hat oder sich nicht mehr am angegebenen Ort aufhält, könne die Aufnahme „rechtsstaatlich“ revidiert werden. Die Aufnahme sei also an Bedingungen geknüpft – und offenbar Gegenstand genauer Prüfungen.

Politische Kehrtwende in der Menschenrechtspolitik

Während die Ampel-Regierung 2021 nach dem Fall Kabuls unter Druck der Zivilgesellschaft Aufnahmeprogramme auflegte, scheint die neue Regierung unter Wadephul und Kanzler Merz eher auf Begrenzung zu setzen.

Die Programme werden gestoppt, neue Schutzversprechen soll es nicht geben – selbst für Aktivistinnen, Journalistinnen oder Menschenrechtsanwälte, die sich in Afghanistan offen gegen die Taliban gestellt haben.

Menschenrechtsexperten kritisieren diese Abkehr. „Es geht nicht um Großzügigkeit, sondern um Verantwortung für gefährdete Menschen, denen wir einst Hilfe zugesagt haben,“ sagt Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor von Human Rights Watch. „Wenn man diese Programme einst aufgelegt hat, muss man sie auch zu Ende bringen.“

Abschiebungen nach Syrien?

Noch brisanter wird es, wenn Wadephul über Syrien spricht. Angesprochen auf die jüngste Abschiebung straffälliger Afghanen erklärte er: Auch für Syrer könne man sich „grundsätzlich vorstellen“, künftig ähnlich zu verfahren – unter bestimmten Bedingungen.

Voraussetzung: Die syrische Übergangsregierung entwickle sich in eine „richtige Richtung“, also hin zu mehr Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Integration aller Religionsgruppen.

Diese Äußerung ist brisant. Denn bislang galt Syrien wegen der politischen Lage und des Assad-Regimes als Land, in das nicht abgeschoben werden darf – weder aus rechtlichen noch aus humanitären Gründen.

Rund 2.400 Afghaninnen und Afghanen warten laut Auswärtigem Amt in Pakistan auf ihre Einreise – obwohl ihre Aufnahmebescheide formal gültig und rechtlich bindend sind.

Wadephul betont zwar, derzeit halte man an dieser Linie fest. Doch der Gedanke ist nun öffentlich ausgesprochen: Straffällige Syrer könnten künftig wieder abgeschoben werden – eine Debatte, die man bislang der AfD überlassen hatte.

„Rechtsstaatlichkeit ja – aber keine Blauäugigkeit“

Wadephuls Aussagen markieren eine strategische Verschiebung in der Migrations- und Außenpolitik: Einerseits betont er den rechtlichen Rahmen – wer eine Zusage hat, soll kommen dürfen. Andererseits rückt er das Thema Sicherheit und Rückführung stärker ins Zentrum.

Aus Regierungskreisen heißt es, man wolle keine „Generalverdächtigungen“ – aber auch keine Blauäugigkeit mehr.

Der Fall eines 19-jährigen Afghanen, der kürzlich einen tödlichen Messerangriff in Mannheim verübte, hat die Debatte über Rückführungen deutlich verschärft. Die neue Bundesregierung will offenbar zeigen, dass sie handlungsfähig ist – und nicht auf Druck der Straße, sondern aus Überzeugung handelt.

Die offene Flanke

Doch genau hier liegt das Dilemma. Wadephul will konsequent handeln – und gleichzeitig rechtsstaatlich bleiben. Er will Sicherheit gewährleisten – und zugleich Zusagen einhalten. Doch in der Realität kollidieren diese Ziele immer wieder.

Die 2.400 Afghanen in Pakistan, für die es eine Anerkennung gibt, sind ein Symbol für dieses Spannungsfeld: Aufgenommen werden müssen sie wohl – alles andere wäre juristisch kaum haltbar. Doch der politische Wind hat sich gedreht. Und wer jetzt noch auf Schutz hofft, hat kaum Chancen.

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