06. August, 2025

Unternehmen

VW vor dem großen Schnitt – Droht dem Konzern ein historischer Identitätsverlust?

Volkswagen-Chef Oliver Blume plant offenbar einen radikalen Umbau des Konzerns. Die Sonderrolle der Kernmarke wackelt, bis zu 30.000 Stellen stehen auf dem Spiel – und die Belegschaft zittert. Ein exklusiver Blick hinter die Kulissen eines der größten Umbrüche in der deutschen Industriegeschichte.

VW vor dem großen Schnitt – Droht dem Konzern ein historischer Identitätsverlust?
Volkswagen kann jährlich 14 Millionen Fahrzeuge bauen – benötigt werden laut Prognose jedoch nur etwa 10 Millionen. Ein Überhang, der Milliarden kostet und Werksschließungen unausweichlich machen könnte.

Die Zeitenwende bei Volkswagen beginnt im Inneren

Der Name Volkswagen stand jahrzehntelang für das Rückgrat des Konzerns – eine Marke mit Macht, Historie und Führungsanspruch. Jetzt wackelt dieser Status. Nach Informationen aus Konzernkreisen plant CEO Oliver Blume einen vollständigen Umbau der Konzernstruktur.

Was sich harmlos anhört – „Gleichstellung der Marken unter einer Dachgesellschaft“ – ist in Wahrheit ein tektonischer Einschnitt. Die zentrale Rolle der Marke VW, bislang Dreh- und Angelpunkt des gesamten Konzerns, könnte Geschichte sein.

Marken-Gleichstellung statt Machtpyramide

Škoda, Seat, Audi, Porsche – bislang galt: Alle arbeiten im Schatten des großen „Volks“. Das könnte sich ändern. Künftig sollen alle Marken gleichberechtigt agieren.

Eine Umkehr des Machtprinzips, das den Konzern Jahrzehnte lang strukturiert hat. Auch strategisch hätte das Konsequenzen: weniger Zentralismus, mehr Eigenverantwortung der Marken, aber auch mehr Wettbewerb untereinander.

Dass dieser Schritt nicht rein ideologischer Natur ist, zeigt der ökonomische Hintergrund. VW hat ein Produktionsproblem: 14 Millionen Fahrzeuge könnte der Konzern jährlich bauen – doch realistisch sind es nur rund 10 Millionen.

Die Folge: Kosten steigen, Werke laufen leer, Margen schrumpfen. Die aktuelle Struktur ist zu schwerfällig, zu teuer, zu vergangenheitsverliebt.

Drohende Werksschließungen und ein ungelöster Sozialkonflikt

Die Werke in Emden und Zwickau wurden zuletzt als Schließungskandidaten gehandelt. Der Betriebsrat konnte den Rotstift bislang aufhalten – mehr aber auch nicht.

Quelle: Eulerpool

Laut internen Quellen sei es „kein Geheimnis, dass man diese Standorte schon früher gerne geschlossen hätte“. Die Belegschaft ist verunsichert. Die Zahl, die im Raum steht, ist erschreckend: Bis zu 30.000 Arbeitsplätze könnten wegfallen.

Oliver Blume spricht intern von „Zukunftsfähigkeit“. Doch wie zukunftsfähig ist ein Konzern, der vor allem durch Streichungen und Identitätsverlust modernisiert werden soll?

Blume führt seit 2022 sowohl Porsche als auch VW – nun will er durchgreifen. Doch Kritiker warnen vor einem identitätslosen Konzern ohne klare Führung.

Die Börse reagiert nervös – aber nicht panisch

Die VW-Aktie konnte nach den Berichten leicht zulegen, notierte am Montagvormittag zeitweise 0,43 Prozent im Plus. Doch der Kontext ist düster: In der Vorwoche war das Papier um über 11 Prozent eingebrochen – ein klares Zeichen, dass Vertrauen und Fantasie fehlen.

Investoren fragen sich: Was bleibt vom Markenkern, wenn alle gleich sind? Wie wirkt sich der Umbau auf die Profitabilität aus? Und vor allem: Wie will Blume die Belegschaft mitnehmen, wenn der Umbau auf Kosten derer geht, die ihn schultern sollen?

Ein Umbau mit politischer Sprengkraft

Volkswagen ist kein gewöhnliches Unternehmen. Der Konzern ist einer der größten Arbeitgeber Deutschlands, in Niedersachsen teils staatsnah – die Landesregierung hält über 11 Prozent der Anteile. Ein Konzernumbau in dieser Dimension ist daher auch ein politisches Thema. Werksschließungen, Massenentlassungen, Identitätsverlust – das hat soziale Sprengkraft.

Auch in Brüssel wird man genau hinschauen. VW war lange Aushängeschild deutscher Industriepolitik. Sollte ausgerechnet dieser Konzern nun zeigen, dass Europa seine industrielle Wettbewerbsfähigkeit verliert, wäre das ein fatales Signal.

Ein Mann gegen die Altlasten

Oliver Blume, der seit 2022 sowohl Porsche als auch Volkswagen führt, gilt als durchsetzungsstark, aber leise. Seine Strategie: Reformen ohne großen Lärm, aber mit klarer Linie. Doch diesmal dürfte es nicht ohne Krach gehen. Der geplante Umbau kratzt nicht nur an historischen Strukturen – er kratzt an der Identität eines ganzen Unternehmens.

Was bleibt vom Volkswagen der Zukunft?

Ein Konzern ohne Hierarchie? Eine Gruppe von Marken, die gleichberechtigt nebeneinander stehen? Ein schlanker Industriekoloss ohne Heimat? Vieles davon klingt effizient, logisch, marktwirtschaftlich sauber. Doch die Fragen bleiben: Wer führt? Wer zahlt? Und was passiert mit den Menschen, die das System VW jahrzehntelang getragen haben?

Wenn dieser Umbau kommt, wird er alles verändern. Und er wird nicht nur ein Kapitel schließen – sondern eine neue, ungewisse Ära eröffnen.

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