Ein Sanierungsfall mit Ansage
Es ist ein Rückzug auf Raten: 158 Filialen in Deutschland dicht, die Schweiz vollständig geräumt, Österreich mehr als halbiert – die Insolvenz von Depot kommt mit einer räumlichen Radikaldiät.
Doch die eigentliche Schieflage begann weit früher. Während Wettbewerber digital skalierten, blieb Depot analog gemütlich – und verlor erst den Anschluss, dann die Kunden.
Was bleibt, ist wenig
Gerade einmal 170 Filialen überleben die Restrukturierung. Ursprünglich sollte nur jede elfte geschlossen werden. Die ursprüngliche Vision – ein europaweites Netzwerk aus 1000 Deko-Filialen – ist zu Staub zerfallen.
Stattdessen: Rückzug, Schrumpfkur und ein schwammiger Neuanfang unter dem Titel „Spaß am Unternehmen“. Klingt nach Trotz – nicht nach Strategie.

Zwischen Tupper und Temu
Der neue Mann im Management: Marco De Benedetti, früher Deutschlandchef von Tupperware. Der alte Mann im Management: Christian Gries, Eigentümer, Sanierer, Visionär wider Willen. Was bleibt, ist ein vages Versprechen: schneller, agiler, innovativer.
Doch während Depot das Joint-Venture mit einem chinesischen Zulieferer feiert, liefern Temu, Shein und AliExpress längst im Stundentakt – und das zum Bruchteil der Preise.
„Regelrecht ausgelutscht“
Handelsexperte Gerrit Heinemann bringt es auf den Punkt: Das Geschäftsmodell von Depot sei „nicht mehr in der Lage, ausreichend Geld zu verdienen“. Was in den frühen 2000ern noch als emotional aufgeladene Markenwelt galt, ist heute maximal Instagram-Futter – austauschbar, teils überteuert, und wirtschaftlich längst fragwürdig.
Der Versuch, das Sortiment mit Lebensmitteln und Erlebnisreisen (!) zu ergänzen, wirkt eher wie eine Flucht nach vorn als ein kluger strategischer Wurf.

Insolvenzkaskade als Geschäftsmodell?
Depot ist kein Einzelfall. Peek & Cloppenburg, Kodi, Galeria – alle nutzten das Schutzschirmverfahren, um sich zu häuten. Doch wie lange bleibt das glaubwürdig?
Der Verdacht, dass das Verfahren von Handelsketten als taktisches Mittel genutzt wird, um sich ungeliebter Mietverträge und teurer Verpflichtungen zu entledigen, steht im Raum – zulasten von Vermietern, Lieferanten und letztlich dem Steuerzahler. Heinemann nennt es unmissverständlich „Geschäftsmodell Insolvenzkaskade“.
Shop-in-Shop statt Schaufensterkultur
Depot setzt künftig verstärkt auf Shop-in-Shop-Flächen bei Edeka, Rewe und Toom. Ob das reicht, um den Markenkern zu retten, ist zweifelhaft.
Denn wer beim Wocheneinkauf zwischen Nudeln und WC-Reiniger noch Kerzen kauft, sucht keine Inspiration, sondern Funktion. Was Depot einst ausmachte – Emotion, Wohngefühl, Deko-Lust – wirkt heute wie ein müder Schatten.
Hoffnung statt Halt
Depot will sich neu erfinden – mit KI-Trendanalysen, China-Kooperationen, Erlebnisreisen und Billigkerzen. Was fehlt, ist ein klares Profil, eine überzeugende Vision und ein Geschäftsmodell, das mehr kann als saisonale Impulskäufe.
Der Absturz ist nicht nur das Ende eines Dekokonzerns. Es ist das Ende einer Vorstellung davon, wie Einzelhandel funktionieren kann. Vielleicht auch das Eingeständnis: Manche Geschäftsmodelle kann man nicht retten. Egal, wie hübsch der Kerzenständer ist.
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