Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), als führende Institution für Tiergesundheit in Deutschland, prognostiziert keine unmittelbare Entspannung der angespannten Lage bezüglich der Vogelgrippe. Stattdessen wird eine geographische Verschiebung des Virusgeschehens gen Süden erwartet. Prof. Dr. Christa Kühn, Präsidentin des Instituts, betont, dass die Zahl der Infektionen weiter steigt und momentan keine Stabilisierung in Sicht ist. Der derzeitige Verlauf der Infektionen korreliert mit dem Herbstvogelzug, der sich auf der Europakarte Richtung Südwesten abzeichnet. Als hochansteckende Krankheit bleibt die Geflügelpest, allgemein als Vogelgrippe bekannt, für viele Vogelarten oft tödlich. Dr. Kühn unterstreicht die Notwendigkeit strenger Hygiene- und Schutzmaßnahmen, um das Eindringen des H5N1-Virus in große Geflügelbetriebe zu verhindern.
Zwischen den Monaten September und Oktober wurden vom FLI rund 50 Ausbrüche in deutschen Geflügelhaltungen dokumentiert. Die Anzahl dieser Ausbrüche hat sich innerhalb einer Woche nahezu verdoppelt, was zur vorsorglichen Keulung von über 500.000 Hühnern, Enten, Gänsen und Puten führte. Besonders betroffen sind die Bundesländer Niedersachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Bereits jetzt übersteigt die Anzahl von 85 betroffenen Betrieben die Werte von 2017, welches als drittstärkstes Jahr in der Chronik der Geflügelpest gilt.
Das FLI berichtet zudem von erheblichen Verlusten unter Wildvögeln. Etwa 250 eingesandte Tierkadaver zeigten Spuren des H5N1-Virus. Die tatsächliche Zahl der betroffenen Tiere dürfte die erfassten Daten jedoch erheblich übersteigen. Trotz dieser Herausforderung bleibt die Bergung von verendeten Wildvögeln eine prioritäre Aufgabe, die die ohnehin belasteten Veterinärbehörden weiter fordert.
Experten des Instituts sind sich einig, dass der Subtyp H5N1 der hochpathogenen aviären Influenza durch den Herbstzug der Wildvögel vermehrt eingeschleppt wird. Auffällig ist dennoch, dass die Anzahl der verstorbenen Wildenten und Wildgänse bisher als relativ gering empfunden wird. Im Gegensatz dazu hat das Virus bei Kranichen in Deutschland ein erstes Massensterben ausgelöst. In Reaktion darauf haben das Saarland und die Freie und Hansestadt Hamburg eine landesweite Stallpflicht für Nutzgeflügel verhängt. Diese Maßnahme zielt darauf ab, die Ausbreitungsgefahr auf Geflügelbetriebe zu minimieren. Andere Bundesländer haben ebenfalls regionale Schutzmaßnahmen implementiert.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) äußert Zweifel an der Rolle der Wildvögel als primäre Quelle der H5N1-Ausbrüche. Der Umweltschutzverband vermutet, dass das Virus zunächst innerhalb der Geflügelhalterei zirkuliert, bevor es auf Wildvögel übergeht. Der NABU identifiziert Entlüftungssysteme und Geflügeldung als mögliche Übertragungswege. Das FLI weist jedoch darauf hin, dass es keine stichhaltigen Hinweise auf wesentliche Einflüsse der Tierhaltungen auf die Virusverbreitung unter Wildvögeln gibt. Vielmehr lässt die genetische Diversität des Virus innerhalb der Wildvogelpopulationen auf eigene Zirkulationsmuster schließen, mit sporadischen Übertragungen auf Geflügelbestände.