Geopolitik trifft Geologie
Keine drei Wochen vor den nächsten Friedensgesprächen legt Washington vor: Die USA und die Ukraine haben ein strategisches Rohstoffabkommen geschlossen, das weit über reine Wirtschaftshilfen hinausgeht. Es geht um Kapital, Kontrolle – und um geopolitische Macht.
Während Russland weiter Städte in Schutt legt, erschließt sich die US-Regierung privilegierten Zugang zu ukrainischen Rohstoffen wie Grafit, Aluminium und Gas.
Im Gegenzug fließt frisches Kapital in einen neuen, von Washington kontrollierten Wiederaufbaufonds – mit Trump-typischen Bedingungen: amerikanische Standards, amerikanisches Personal, amerikanische Interessen.
Investition oder Einflussnahme?
Finanzminister Scott Bessent spricht von einem Signal an Moskau. Einem Zeichen dafür, dass die USA langfristig hinter der Ukraine stehen – wirtschaftlich wie politisch. Die Kooperation soll den Wiederaufbau beschleunigen, US-Investoren anlocken und das Investitionsklima „nach westlichen Maßstäben“ stabilisieren.
Tatsächlich dürften sich viele amerikanische Konzerne bereits die Hände reiben. Denn das Abkommen räumt den USA nicht nur bevorzugten Zugriff auf die Rohstoffförderung ein – es sichert ihnen auch die Kontrolle über die Gewinnverwendung: Überschüsse fließen direkt in einen von den USA verwalteten Fonds, der den Wiederaufbau finanzieren soll.

Ukrainischer Pragmatismus oder politischer Preis?
Kiew spricht von einem „Meilenstein“ und betont die Bedeutung internationaler Investitionen für den Wiederaufbau. Doch hinter den Kulissen waren die Verhandlungen zäh.
Die ukrainische Regierung wollte ursprünglich ein Rahmenabkommen unterschreiben und Details später klären – doch Washington bestand auf einem Gesamtpaket mit festgelegten Einzelregelungen.
Ein überraschender Aspekt: Trump verzichtete auf die Rückforderung bereits geleisteter Militärhilfen – bislang eine zentrale Forderung der Republikaner. Künftig zählt nur noch, was neu kommt. Ein Zugeständnis, das womöglich mehr mit geopolitischem Kalkül als mit Großzügigkeit zu tun hat.
Der Zugriff auf kritische Rohstoffe
Die wirtschaftliche Relevanz des Deals ist nicht zu unterschätzen. Aluminium, Grafit und Erdgas gehören zu den sogenannten „Critical Raw Materials“, also jenen Rohstoffen, die für Schlüsselindustrien wie Batterietechnik, Halbleiterproduktion oder Rüstung entscheidend sind – und bei denen die USA nicht von China abhängig sein wollen.
In diesem Zusammenhang kommt der Ukraine eine neue Rolle zu: als Lieferant, als Rohstoffdrehscheibe – und als geopolitischer Partner, der dafür auf westliche Standards eingeschworen wird. Der Preis für Kiew: strategische Rohstoffe gegen politische Rückendeckung.

Ein Fonds unter amerikanischer Aufsicht
Im Zentrum des Deals steht ein Wiederaufbaufonds, über den die USA wachen. Hier laufen künftig Gewinne aus der Rohstoffverwertung zusammen – in Dollar, nicht in Hrywnja. Die Mittel sollen in Infrastruktur, Energieprojekte und Modernisierung fließen, allerdings unter US-Regie.
Dass Kiew sich darauf einlässt, zeigt auch, wie dringend der Staat nach dem jahrelangen Krieg auf Unterstützung angewiesen ist – und wie stark das Vertrauen in eine unabhängige Ukraine mittlerweile an westliche Partnerschaften gekoppelt ist.
Russische Bomben – und stille Allianzen
Während in Odessa zwei Zivilisten bei nächtlichen Drohnenangriffen sterben und Wohnhäuser in Flammen stehen, verhandelt Kiew an anderer Front um seine Zukunft.
Dass dieser Vertrag gerade jetzt zustande kommt, ist kein Zufall – sondern Teil einer größeren Strategie: Die USA sichern sich politischen Einfluss durch wirtschaftliche Präsenz.
In Moskau dürfte die Botschaft angekommen sein: Auch ohne Waffenlieferungen zeigt Washington, dass es in der Ukraine aktiv bleibt – und mitreden will. Die wirtschaftliche Durchdringung ersetzt dabei die offene Konfrontation.
Ein Deal mit Haken
Kritiker warnen vor einem gefährlichen Ungleichgewicht. Während ukrainische Ressourcen erschlossen und verwertet werden, bleiben Schlüsselentscheidungen in US-amerikanischer Hand. Die wirtschaftliche Abhängigkeit Kiews könnte sich damit verfestigen.
Gleichzeitig dürfte der Deal EU-intern für Nervosität sorgen. Brüssel hat Kiew fest in den Beitrittsprozess eingebunden – doch mit jedem Schritt Richtung USA wird die Bindung an Europa politisch wie wirtschaftlich schwieriger. Offiziell wurde dieser Aspekt in den Gesprächen adressiert. Doch dass Washington den „EU-Kurs der Ukraine“ respektiert, ist eine Floskel, kein Garant.