22. Oktober, 2024

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Umweltskandal: Falsche Klimazertifikate rütteln an Systemvertrauen

Umweltskandal: Falsche Klimazertifikate rütteln an Systemvertrauen

Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, hat in der Debatte um möglicherweise gefälschte Klimaschutz-Zertifikate deutliche Kritik an der bestehenden Systematik geäußert. "Das System war von Anfang an anfällig für Betrug," erklärte Messner gegenüber der "Welt am Sonntag" und betonte, dass die vorzeitige Beendigung der derzeitigen Praxis aufgrund abstrakter Betrugsgefahren ohnehin geplant war.

Der Hintergrund dieser Affäre sind Betrugsvorwürfe gegen Klimaschutzprojekte in China, die von Mineralölkonzernen in Deutschland verwendet werden, um ihre gesetzlichen Klimaziele zu erreichen. Diese Unternehmen können ihre Treibhausgasquote verbessern, wenn entlang der Lieferkette CO2-Emissionen, auch im Ausland, reduziert werden. Solche "Upstream Emission Reduction"-Projekte (UER) werden nach ihrer Zertifizierung auf die Treibhausgasminderungsquote im Verkehr angerechnet und vom UBA genehmigt.

Nach Angaben des UBA müssen nach jüngsten Nachprüfungen 40 von 60 untersuchten Projekten intensiv untersucht werden, bei zehn Projekten gibt es besonders deutliche Hinweise auf Betrug. Diese Erkenntnisse haben das UBA dazu veranlasst, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin zu erstatten. Es gebe klare Indizien, die auf ein komplexes Betrugsgeflecht hinweisen.

Messner erläuterte, dass die China-Projekte vor Ort nicht direkt vom UBA, sondern durch externe Zertifizierungsunternehmen überprüft werden. "Der Mechanismus basiert auf Vertrauen in die Verifizierer und Validierer," betonte er. Allerdings stößt man bei Kontrollen aus der Ferne, etwa durch Satellitenbilder und Nachfragen, an Grenzen. Eine gründliche Überprüfung der Verdachtsfälle erfordere internationale Missionen vor Ort.

Der aktuelle Stopp der UER-Anrechnung geht auf erste Hinweise im August 2023 zurück. Das Bundesumweltministerium wurde laut eigenen Angaben im letzten Quartal 2023 über Unregelmäßigkeiten bei einem Projekt informiert. Im Januar 2024 erhielt das Ministerium dann die Information über weitere Vorwürfe gegen mehrere Projekte, was zur Entscheidung führte, die UER-Anrechnung zu beenden.

Verschiedene Verbände, darunter auch Vertreter der Bioenergie-Branche, fordern ein sofortiges Moratorium sowie wirksame Sanktionen. "Bis auf weiteres sollten nur Projekte angerechnet werden, deren Rechtmäßigkeit durch Drittprüfungen zweifelsfrei belegt ist," appellierte das "Hauptstadtbüro Bioenergie".