Zölle runter, Kurse rauf
Es war ein Vormittag, wie ihn japanische Autobauer lange nicht erlebt hatten. Während in Tokio die Händler kaum mit dem Nachkaufen hinterherkamen, legte sich ein seltener Optimismus über den gesamten Automobilsektor.
Die Auslöser: ein einziges Wort von Donald Trump – und die Aussicht auf ein Zollabkommen, das Exporteuren wie Toyota, Nissan, Mazda und Honda wieder Luft verschafft.
Binnen Stunden schnellten die Kurse zweistellig nach oben. Mazda legte um sagenhafte 17,77 Prozent zu, Toyota um über 14 Prozent, auch Honda und Nissan zogen deutlich an. Was nach einem Befreiungsschlag aussieht, ist vor allem eins: ein geopolitisches Signal mit wirtschaftlicher Sprengkraft.
25 auf 15: Ein Prozentpunkt – Milliarden schwer
US-Präsident Donald Trump ließ über soziale Kanäle verlautbaren, man sei kurz vor einem „massiven Deal“ mit Japan. Konkret gehe es um die geplanten Importzölle auf Autos, die statt auf 25 nun auf 15 Prozent steigen sollen – oder im Vergleich zum Schlimmstszenario: sinken.
Was trivial klingt, ist für Japans Automobilindustrie von existenzieller Bedeutung. Fast ein Viertel aller Fahrzeuge, die das Land exportiert, gehen in die USA. Höhere Zölle hätten die Industrie massiv unter Druck gesetzt. Nicht nur wegen der Preissteigerungen für Endkunden, sondern vor allem wegen der Frage, wer diese Kosten tragen soll.
In der Vergangenheit hatten Autohersteller die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder Marktanteile verlieren – oder Rendite. Jetzt scheint Trump ausnahmsweise Rücksicht auf seine Wählerbasis an der Westküste zu nehmen – dort, wo japanische Autos seit Jahrzehnten dominieren.
Ein Signal auch für andere Branchen
Der Aufschwung an den Märkten beschränkte sich nicht auf Autobauer. Auch Zulieferer, Logistiker und Maschinenbauer mit starkem US-Geschäft legten zu. Denn die Unsicherheit, die monatelang auf den Exportwerten lastete, schien sich erstmals seit langem zu lichten.

Der Blick auf die volkswirtschaftlichen Dimensionen macht deutlich, warum. Würden die USA den Import japanischer Fahrzeuge mit 25 Prozent belasten, entstünden – laut Berechnungen des japanischen Wirtschaftsministeriums – Mehrkosten von bis zu 5 Milliarden US-Dollar jährlich für die Branche. Das entspräche rund 100.000 Fahrzeugen, die allein durch die Preisdifferenz unverkauft bleiben könnten.
Diese Zahl macht verständlich, warum die Börsen so prompt reagierten.
Wahlkampfökonomie à la Trump
Doch die Erleichterung hat eine politische Kehrseite. Der Deal ist – Stand jetzt – nicht mehr als eine Ankündigung. Und: Er kommt aus dem Mund eines Mannes, der schon häufiger internationale Handelsabkommen als Wahlkampfmunition genutzt hat.
Für Trump ist die wirtschaftliche Beziehung zu Japan seit jeher ein Reizthema. Schon 2019 ließ er verlauten, dass „zu viele japanische Autos in amerikanischen Garagen stehen“.
Dass er nun einlenkt, dürfte weniger mit plötzlichem Protektionismus-Verzicht zu tun haben, als mit taktischem Kalkül: Der ehemalige Präsident weiß, wie empfindlich die Börsen auf Zollmeldungen reagieren – und wie stark wirtschaftlicher Aufwind seine Kampagne befeuern kann.
Für Japan ist der Deal deshalb ein zweischneidiges Schwert: kurzfristige Entspannung, aber langfristig erneut ausgeliefert. Denn was heute Erleichterung bringt, kann morgen schon widerrufen werden.
Die Börse jubelt – aber wie nachhaltig ist der Effekt?
Trotz der Kursrallye bleibt die Frage, ob der Aufschwung Substanz hat. Die strukturellen Herausforderungen für japanische Autobauer bleiben: Elektroautos, Lieferkettenprobleme, Abhängigkeit von China – und eine zunehmend protektionistische Weltordnung.
Nissan etwa kämpft weiterhin mit schwachen Margen und einer schleppenden Transformation. Toyota hat zwar Milliarden in E-Mobilität investiert, hinkt technologisch aber hinter Tesla und BYD hinterher. Und Mazda bleibt ein Nischenhersteller mit begrenzter globaler Reichweite.
Die jüngste Rallye ist also in erster Linie psychologischer Natur: ein Aufatmen, nicht mehr. Sollten sich Trumps Aussagen als Wahlkampftaktik entpuppen oder das Abkommen scheitern, wäre die Euphorie schnell verpufft. Anleger sollten sich also nicht von zweistelligen Kursbewegungen blenden lassen – sondern genau hinsehen, ob die fundamentalen Daten das neue Preisniveau rechtfertigen.
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