Margenschub statt Preisflaute
Der Ölpreis sinkt – doch TotalEnergies verdient mehr. Der französische Konzern überraschte am Mittwoch mit einer optimistischen Prognose: Trotz eines um zehn Dollar je Barrel niedrigeren Durchschnittspreises rechnet das Unternehmen für das dritte Quartal mit einem Anstieg des operativen Ergebnisses und Cashflows um bis zu fünf Prozent.
An der Börse kam das gut an. Die Aktie legte am Vormittag um 2,3 Prozent zu – ein Signal, dass Anleger dem Energiekonzern zutrauen, die Preisschwäche an den Rohstoffmärkten zu kompensieren.
Raffinerien laufen heiß
Treiber des Ergebnisses ist die Raffinerie-Sparte (Downstream). Hier haben sich die Margen innerhalb eines Jahres mehr als verdreifacht – auf durchschnittlich 63 Dollar pro Tonne. Ursache ist eine Mischung aus knapperem Angebot und robuster Nachfrage nach Diesel, der in Europa zurzeit besonders gefragt ist.
Der Hintergrund: Seit dem EU-Importverbot für russische Kraftstoffe klafft eine Lücke im Markt. Diesel aus Indien und dem Nahen Osten kann die Mengen nur teilweise ersetzen, was Raffinerien in Europa und im Nahbereich des Mittelmeers plötzlich wieder hochprofitabel macht.
Das Downstream-Ergebnis von TotalEnergies dürfte laut Unternehmensangaben im Jahresvergleich um 400 bis 600 Millionen Dollar steigen.
Förderung zieht an – LNG schwächelt
Auch im Upstream-Geschäft, also der Öl- und Gasförderung, läuft es besser als erwartet. TotalEnergies will im dritten Quartal 2,5 Millionen Barrel Öläquivalent pro Tag fördern – rund vier Prozent mehr als im Vorjahr. Neue Projekte in Afrika und Südamerika sowie eine verbesserte Produktion in der Nordsee tragen dazu bei.
Dämpfer gibt es allerdings im LNG-Segment (Flüssigerdgas). Wegen geplanter Wartungsarbeiten in Australien rechnet der Konzern dort mit geringeren Umsätzen. Gerade der Gasbereich war in den vergangenen Jahren einer der größten Wachstumstreiber – nun wird er vorübergehend zur Bremse.

Diesel als heimlicher Gewinner
Der aktuelle Gewinnschub zeigt, wie stark sich der Energiemix von TotalEnergies auszahlt. Während Ölpreise stagnieren, erzielt der Konzern dank seines breiten Portfolios Gewinne über die gesamte Wertschöpfungskette – von der Förderung über die Verarbeitung bis zum Vertrieb.
Besonders Diesel sticht dabei heraus. Der Treibstoff erlebt in Europa ein Comeback, nachdem viele Raffinerien in den vergangenen Jahren auf alternative Kraftstoffe oder Biokomponenten umgestellt hatten. Nun fehlt es schlicht an klassischer Raffineriekapazität – und TotalEnergies profitiert.
Schuldenabbau rückt in den Fokus
Die gute Nachricht: Das operative Ergebnis wächst. Die schlechte: Die Bilanz ist schwerer geworden. Nach Zukäufen im Umfang von 3,5 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr steht der Konzern unter Druck, seine Verschuldung zu senken.
Die Franzosen haben in den vergangenen Monaten massiv investiert – unter anderem in Erneuerbare Energien, LNG-Projekte und Explorationsrechte. Das verschafft TotalEnergies langfristig Wachstum, belastet kurzfristig aber die Finanzstruktur. Analysten erwarten, dass ein Teil der zusätzlichen Downstream-Gewinne zur Entschuldung genutzt wird.
Der Konzern zwischen Transformation und Tradition
Die Strategie des Konzerns bleibt widersprüchlich – und genau darin liegt ihre Stärke. Während sich viele Wettbewerber fast vollständig auf grüne Energien konzentrieren, setzt TotalEnergies auf eine Doppelstrategie: Ausbau von Solar- und Windenergie, aber zugleich Stärkung der klassischen Öl- und Gasproduktion.
Das Ergebnis: Flexibilität in unsicheren Märkten. Fällt der Ölpreis, stützen Raffinerien und Stromgeschäft den Gewinn. Steigen die Preise, sorgt die Förderung für Rekordmargen.
Die Börse honoriert Balance statt Bekenntnis
Investoren mögen diese pragmatische Herangehensweise. Während Wettbewerber wie BP und Shell ihre Klimaziele mehrfach nachjustieren mussten, präsentiert sich TotalEnergies als stabiler Hybrid zwischen fossiler Basis und grünem Umbau. Das macht die Aktie zur bevorzugten Wahl vieler institutioneller Anleger, die Energieexposure suchen, ohne auf kurzfristige Rendite zu verzichten.
Der jüngste Kursanstieg spiegelt diesen Trend wider. Anleger setzen darauf, dass der Konzern in der Lage bleibt, volatile Märkte auszubalancieren – und dabei hohe Dividenden zu zahlen.
