Zwischen Euphorie und Ernüchterung
Als Elon Musk 2019 eine „Gigafactory“ im märkischen Sand versprach, gerieten Politik und Öffentlichkeit in kollektive Verzückung. Brandenburg roch plötzlich nach Zukunft, die E-Mobilität schien endlich europäisch zu werden, und der amerikanische Heilsbringer wurde von Medien und Ministern gefeiert.
Doch fünf Jahre später ist von der Euphorie wenig übrig. Tesla verliert in Deutschland rapide Marktanteile, die Zulassungszahlen brechen ein – und die Produktionsstätte bei Berlin läuft ins Leere.
Zahlen, die nicht lügen – auch wenn es Musk tut
Im ersten Halbjahr 2025 wurden weltweit nur 721.000 Tesla-Fahrzeuge verkauft. Zum Vergleich: Toyota brachte im gleichen Zeitraum 5,1 Millionen Autos an den Mann.
In Deutschland ist das Desaster besonders deutlich: Lediglich 10.000 neu zugelassene Teslas von Januar bis Juli, was einem Marktanteil von mageren 0,6 % entspricht.
Selbst die chinesische Marke MG Roewe verkaufte mehr. Das einstige Zugpferd Model Y ist aus den Top Ten der meistverkauften E-Autos verschwunden – ausgerechnet jenes Modell, das in Brandenburg gebaut wird.

Milliardenbewertung mit dünner Basis
An der Börse hingegen bleibt Tesla ein Gigant. Über eine Billion Dollar ist der Konzern aktuell wert – mehr als viermal so viel wie Toyota. Doch der Abstand zwischen Bewertung und Realität wird gefährlich groß. Während Toyota Autos verkauft, produziert Tesla vor allem Erwartungen.
Und Enttäuschungen. Die Modellpalette wirkt veraltet, der futuristische Cybertruck wurde in Europa gar nicht zugelassen – zu schwer, zu unsicher, zu absurd. Auch technisch hat Tesla den früheren Vorsprung verloren. Die E-Modelle der deutschen Konkurrenz holen rasant auf, sowohl in Reichweite als auch in Verarbeitung.
Von der Vorzeige-Fabrik zum Fass ohne Boden
Die „Gigafactory Berlin-Brandenburg“ war politisch gewollt, gefördert und schnell gebaut – zu schnell, sagen heute viele. Zwar produziert das Werk 5.000 Fahrzeuge pro Woche, doch verkauft wird ein Bruchteil davon. Im Juli waren es in ganz Deutschland nur noch 1.110 Einheiten.
Der Rest wird in Länder wie die Türkei oder nach Taiwan exportiert, Rabatte bis zu 6.000 € sollen helfen, Lagerflächen zu räumen. Währenddessen liegt der geplante Ausbau der Fabrik auf Eis. Von den ursprünglich angekündigten 40.000 Arbeitsplätzen sind gerade einmal 11.000 besetzt.
Schweigen im Werk, Druck auf Mitarbeiter
Intern herrscht kein Klima der Innovation, sondern der Konfrontation. Berichte über Abmahnwellen, eingeschüchterte Mitarbeiter und eine Betriebsratsmehrheit, die Tesla-freundlich agiert, häufen sich. Die IG Metall spricht von systematischer Behinderung der Mitbestimmung.
Kritik an der Unternehmensstrategie ist unerwünscht – auf Betriebsversammlungen ebenso wie in der Öffentlichkeit. Das Bild eines modernen, offenen Arbeitgebers? Ein Trugschluss. Die Realität erinnert eher an ein autoritär geführtes Startup, das mit deutscher Sozialpartnerschaft nichts anfangen kann.
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Imageverlust durch Musk – und niemand kann ihn stoppen
Doch nicht nur wirtschaftlich steht Tesla unter Druck. Elon Musk selbst torpediert das Markenimage mit politischen Eskapaden. Ob mit Lob für die AfD-Politikerin Alice Weidel, rechten Kommentaren auf X (ehemals Twitter) oder anti-woken Ausfällen – Musk verliert das progressive Milieu, das Tesla einst trug.
„Man muss zwischen Tesla und Musk unterscheiden“, sagt Jörg Steinbach, einst Brandenburgs Wirtschaftsminister und Tesla-Unterstützer der ersten Stunde. Doch dieser Satz ist kaum mehr glaubhaft, wenn der CEO gleichzeitig Produktstrategie, Kommunikation und Personalpolitik steuert wie ein Alleinherrscher.
Während andere liefern, verliert Tesla den Anschluss
Die Konkurrenz schläft nicht – sie liefert. VW, BMW, Mercedes und Stellantis verkaufen in Deutschland ein Vielfaches an Fahrzeugen, bauen Hybridlösungen und punkten mit breiter Modellpalette.
Während Tesla starr auf wenige Modelle setzt und keine Verbrenner oder Hybride im Angebot hat, sind die deutschen Hersteller näher an den Bedürfnissen der Kunden. Sie bieten nicht nur Vision, sondern auch Auswahl – und das in verlässlicher Qualität.
Das Ende eines Mythos – und die Quittung für die Politik
Was als industrielle Revolution gefeiert wurde, könnte zum Mahnmal einer verfehlten Wirtschaftspolitik werden. Eine milliardenschwere Fabrik, ausgelastet durch Hoffnung – aber nicht durch Nachfrage.
Ein Konzernchef, der mit der Politik flirtete, solange sie nützlich war – und sie nun mit Füßen tritt. Ein Unternehmen, das einst für Fortschritt stand und nun auf der Stelle tritt. Die Geschichte von Tesla in Deutschland ist keine Erfolgsgeschichte mehr. Sie ist ein Lehrstück über Hybris, politische Naivität und das kurze Haltbarkeitsdatum von Hype.
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