Vom goldenen Ticket zur Warteschlange
Es klingt wie ein Tech-Märchen: Nach Monaten des Wartens, einer Reise nach Austin und unzähligen App-Checks erhält ein Nutzer endlich den lang ersehnten Zugang zum Tesla-Robotaxi.
Nur Stunden später ist alles vorbei – zurück auf die Warteliste. Dieses Hin und Her betrifft nicht nur Einzelne, sondern eine wachsende Zahl an frühen Testern. Auf X berichten Nutzer von identischen Erfahrungen: „Den ganzen Tag Zugang, und plötzlich wieder gesperrt.“
Dass Tesla die App am Mittwoch still und leise für alle iOS-Nutzer in den USA und Kanada freigeschaltet hat, verstärkt den Eindruck von Improvisation. Wer außerhalb der aktuellen Testgebiete – Austin und die San Francisco Bay Area – wohnt, bleibt ohnehin außen vor.
Lange Wartezeiten, wenige Fahrzeuge
Ein zentrales Problem sind die Flottenkapazitäten. Während Konkurrent Waymo in Austin rund 100 Fahrzeuge auf 90 Quadratmeilen einsetzt, operiert Tesla in derselben Stadt mit einer „Handvoll“ Robotaxis – offiziell erhöht um 50 Prozent, genaue Zahlen nennt das Unternehmen nicht. Selbst im erweiterten Einsatzgebiet von 173 Quadratmeilen bedeutet das Wartezeiten von bis zu 40 Minuten.

Zum Vergleich: Uber oder Waymo liegen in San Francisco bei durchschnittlich 10 bis 15 Minuten. Für eine Dienstleistung, die „Zukunft der Mobilität“ verspricht, ist das ein Stolperstein.
Sicherheit mit menschlicher Krücke
Noch gravierender: Die Robotaxis sind bislang keine echten Robotaxis. In Kalifornien sitzt ein Sicherheitsfahrer am Steuer, in Texas ein Tesla-Mitarbeiter auf dem Beifahrersitz.
Auf Autobahnstrecken rückt dieser sogar zurück ans Steuer. „Es ist nicht wirklich ein Robotaxi, wenn ein Angestellter im Auto sitzt“, urteilte John Krafcik, Ex-Chef von Waymo, im August.
Tesla argumentiert, dies sei nur eine Übergangslösung – Kritiker sehen darin jedoch den Beleg, dass die Technik noch weit von einem autonomen Betrieb entfernt ist.
Musk setzt auf Geschwindigkeit statt Perfektion
Dennoch verfolgen Branchenkenner aufmerksam, wie Elon Musk das Projekt vorantreibt. „Es geht um Wahrnehmung von Fortschritt“, sagt Alex Roy, ehemaliger Direktor beim Autonomie-Startup Argo AI. Tesla verzichte bewusst darauf, auf die vollständige Reife zu warten. Stattdessen werden schnell neue Städte erschlossen und Geozäune erweitert.
Für Investoren bedeutet das: kurzfristige Schlagzeilen, aber auch hohe operative Risiken. Während Waymo auf regulatorische Sicherheit und langsameren Ausbau setzt, riskiert Tesla mit seiner Vorwärtsstrategie Rückschläge – wie das jüngste App-Fiasko zeigt.
Die politische Dimension
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind die Regulierungsbehörden. In Kalifornien darf Tesla derzeit keine fahrerlosen Taxis ohne Sicherheitsfahrer betreiben.
In Texas ist das Regelwerk zwar lockerer, doch ein ernsthafter Unfall könnte den politischen Druck drastisch erhöhen. Für ein Unternehmen, das den Robotaxi-Markt als künftige Gewinnmaschine auserkoren hat, wäre das ein Rückschlag.
Anleger zwischen Vision und Realität
Die Robotaxi-Strategie ist zentral für Teslas Bewertung. Analysten schätzen, dass ein funktionierendes Robotaxi-Netzwerk den Unternehmenswert verdoppeln könnte. Doch die aktuelle Realität ist ernüchternd: unzuverlässige Apps, geringe Fahrzeugzahlen, Sicherheitsfahrer an Bord.
Die entscheidende Frage bleibt: Gelingt es Tesla, schneller als Waymo oder Cruise echte Skalierung zu erreichen – oder verliert Musk durch überstürzte Expansion das Vertrauen von Nutzern und Investoren?
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