Das deutsche Stromnetz wird international als eines der sichersten angesehen. Dennoch zeichnet sich laut dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet eine Zunahme der Herausforderungen für das System ab. Tim Meyerjürgens, der Geschäftsführer von Tennet Deutschland, hebt die Dringlichkeit hervor, die Grundlagen für eine stabile Stromversorgung über das Jahr 2030 hinaus sicherzustellen. Aktuell sieht Meyerjürgens zwar keine unmittelbare Gefahr eines Netzversagens, warnt jedoch davor, diese Situation als gegeben hinzunehmen und unterstreicht die Notwendigkeit proaktiven Handelns.
Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche (CDU) bereitet einen Bericht vor, der den Fortschritt der Energiewende bewerten soll. Dabei will sie die Versorgungssicherheit und die Wirtschaftlichkeit des Energiesystems besonders beleuchten. Meyerjürgens spricht sich in diesem Kontext ausdrücklich für den Bau neuer Gaskraftwerke aus. Solche Kraftwerke sind essentiell, um den geplanten Kohleausstieg abzufedern und Versorgungslücken zu schließen, die entstehen, wenn die Kapazitäten erneuerbarer Energien nicht ausreichen.
Der Geschäftsführer von Tennet beschreibt die zunehmende Komplexität des Stromsystems. Während in der Vergangenheit nur gelegentlich Eingriffe notwendig waren, benötigt allein Tennet heute über 2.500 Eingriffe pro Jahr, um den Netzbetrieb zu stabilisieren. Diese Interventionen sind nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch mit erheblichen Kosten verbunden, die letztlich die Verbraucher belasten. Daher sei es von entscheidender Bedeutung, jetzt die nötigen Instrumente zu entwickeln, um das Netz weiterhin zuverlässig zu managen.
Ein besonderes Problem stellen insbesondere Solaranlagen dar, deren Stromproduktion meist unregulierbar und unvorhersehbar ist. Mit etwa 50 bis 60 Gigawatt installierter Photovoltaik-Kapazität kann dies bei geringen Nachfragezeiten zu systemweiten Schwierigkeiten führen. Die Bundesregierung hat bereits gesetzliche Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass neue Solaranlagen besser steuerbar sein werden, und so die Netzstabilität zu gewährleisten.
Zusammenfassend betont Meyerjürgens die Notwendigkeit, die Flexibilität des Stromsystems zu steigern. Inspiration liefert hierbei das Beispiel der Niederlande, wo Netzteilnehmer für ihre flexible Reaktion auf Leistungsanforderungen mit Anreizen belohnt werden. Solche Anreizsysteme könnten auch für Deutschland bedeutsam sein, da sie auf verschiedenen Ebenen, sei es durch Speicherung, Erzeugung oder Laststeuerung, zur Sicherung einer stabilen und wirtschaftlichen Energieversorgung beitragen könnten.