Taiwan hat kürzlich einen bedeutenden Wandel in seiner Energiepolitik vollzogen, indem es den letzten verbleibenden aktiven Atomreaktor im Süden des Landes abgeschaltet hat. Konkret handelt es sich um den Reaktor Nummer 2 des Kernkraftwerks Maanshan, der mit einer Leistung von 951 Megawatt betrieben wurde. Diese Maßnahme trat um Mitternacht in Kraft, nachdem die Betriebslizenz nach 40 Betriebsjahren abgelaufen war. Mit der Abschaltung erfüllt die Regierung unter der Führung der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) ein zentrales Versprechen aus ihrem Energieplan von 2016: den Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2025 voranzutreiben, ein Vorhaben, das maßgeblich durch die Ereignisse der Fukushima-Katastrophe von 2011 beeinflusst wurde.
Diese Entscheidung sendet eine deutliche Botschaft über die vermeintliche Unverzichtbarkeit der Atomkraft, wie Jusen Asuka von der Tohoku-Universität betont. Der schrittweise Atomausstieg begann mit den älteren Reaktoren in den Jahren 2018 und 2021, während der erste Reaktor des Maanshan-Kraftwerks im Juli 2024 abgeschaltet wurde. Zu Hochzeiten deckte die Atomkraft bis zu 50 Prozent des taiwanesischen Energiebedarfs. Dennoch fiel dieser Anteil bis 2024 drastisch auf lediglich drei Prozent. Im Jahr 2022 wurde der Großteil des Stroms aus fossilen Brennstoffen, ergänzt durch einen kleineren Beitrag aus erneuerbaren Energiequellen, gewonnen.
Angesichts des wachsenden Bedarfs in der Industrie- und Technologiesektor versicherte Premierminister Cho Jung-tai die Kontinuität der Stromversorgung, auch wenn der Reservepuffer reduziert wurde. Um die entstandene Energielücke zu schließen, plant der staatliche Energieversorger Taipower eine signifikante Erhöhung der Gasproduktion. Parallel dazu wird ein ambitioniertes Ziel verfolgt, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2026 auf 20 Prozent zu steigern, um die Energieinfrastruktur des Landes nachhaltiger zu gestalten.
Trotz dieser strategischen Ausrichtung warnen Kritiker vor einer möglichen einseitigen Energiepolitik, die die Abhängigkeit Taiwans von fossilen Brennstoffen erhöhen könnte, insbesondere in der derzeit angespannten geopolitischen Lage mit China. Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz ermöglicht theoretisch eine Verlängerung der Laufzeit von Reaktoren, hebt jedoch die Notwendigkeit umfangreicher gesetzlicher und technischer Prüfungen hervor. Premierminister Cho betonte, dass die Wiederinbetriebnahme von Reaktoren aktuell kein vorrangiges Ziel der Regierung ist. Vielmehr liegt der Fokus auf der zukunftsorientierten Entwicklung der Energiewirtschaft, um langfristige Stabilität und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.