Wenn Prunk auf Protest trifft
Gucci, die berühmteste Marke des Kering-Imperiums, steht vor einem Imageproblem – und womöglich bald auch vor leeren Regalen. Rund 1.000 Beschäftigte aus Einzelhandel und Logistik in Italien haben einen „stato di agitazione“ ausgerufen – ein Vorstadium zum Streik nach italienischem Arbeitsrecht.
Die Gewerkschaften Filcams CGIL, Fisascat CISL und Uiltucs werfen der Konzernführung Wortbruch vor: Ein zugesagtes Sozialpaket für 2025 werde plötzlich nicht mehr gezahlt.
Was zunächst nach einer inneritalienischen Tariffrage klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ernstzunehmendes Risiko für Kering – wirtschaftlich, kommunikativ und strategisch. Denn die soziale Unruhe trifft ein Unternehmen, das zuletzt ohnehin mit schwächelnden Gucci-Verkäufen, wachsender Konkurrenz und einem taumelnden Aktienkurs zu kämpfen hatte.
Ein Versprechen mit Verfallsdatum
2022 hatte Gucci mit den italienischen Gewerkschaften ein Zusatzabkommen geschlossen, das bis Ende 2024 ein Sozialpaket für die Belegschaft garantierte. Laut den Arbeitnehmervertretungen habe das Unternehmen jedoch mehrfach mündlich bekräftigt, auch 2025 an den Leistungen festzuhalten – eine Art stillschweigende Verlängerung.
Doch nun: Rückzieher. Keine Zahlungen mehr ab Januar, so die neue Linie der Konzernspitze. Für die Gewerkschaften ist das ein Affront. Für Kering könnte es der Beginn eines größeren Problems sein.
Mehr als ein lokaler Arbeitskampf
Italiens Gewerkschaften haben Erfahrung mit öffentlichkeitswirksamen Arbeitskämpfen – vor allem im hochsymbolischen Luxussektor, wo Markenidentität, Handwerk und Prestige zentral sind. Ein Streik bei Gucci betrifft eben nicht nur den Verkauf von Gürteln in Florenz. Er trifft das Image der Marke weltweit. Denn wenn Luxus auf Unzufriedenheit trifft, wird selbst das teuerste Etikett schnell rissig.
Hinzu kommt: Die betroffenen Mitarbeitenden arbeiten nicht nur im Verkauf, sondern auch in der Logistik. Verzögerungen in der Lieferkette wären unmittelbar spürbar – gerade bei einem Unternehmen, dessen Kunden Service, Verfügbarkeit und Erlebnis erwarten. Jeder Tag Stillstand kostet bares Geld – und beschädigt Markenwert.
Kering-Aktie rutscht weiter ab
An der Börse reagierten Anleger prompt. Die Kering-Aktie verlor am Dienstagvormittag zeitweise 2,5 % und notierte bei 208,15 Euro. Damit setzt sich ein Trend fort, der für den Luxuskonzern ohnehin bedenklich ist: Seit Jahresbeginn liegt das Papier deutlich im Minus, während Konkurrenten wie LVMH oder Hermès zumindest stabil bleiben.
Der Grund liegt nicht nur im aktuellen Konflikt. Kering hat in den vergangenen Quartalen massiv unter dem rückläufigen China-Geschäft gelitten – und es nicht geschafft, die einstige Gucci-Dynamik in neue Märkte oder Marken zu übertragen. Die Hoffnung auf eine Wiederbelebung unter dem neuen Kreativchef Sabato De Sarno ist bisher nicht aufgegangen. Im Gegenteil: Die Entzauberung geht weiter.
Kommunikative Leerstelle statt Krisenmanagement
Auffällig im aktuellen Fall ist, wie still Kering selbst bleibt. Statt öffentlich Stellung zu nehmen, bleibt das Unternehmen in seiner klassischen PR-Defensive. Kein Statement zur Streikandrohung, kein Versuch, die Lage zu deeskalieren oder den Eindruck zu korrigieren, man habe Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sozialleistungen einfach entzogen.
Dabei könnte gerade hier frühzeitige Kommunikation helfen, Schaden zu begrenzen. Denn wer als Luxusmarke Werte wie Exklusivität, Vertrauen und Verantwortung verkauft, darf sich bei Themen wie sozialer Fairness keine handwerklichen Fehler leisten.
Das könnte Sie auch interessieren:
