Die Sparkassen, jahrzehntelang unangefochtene Platzhirsche im Privatkundengeschäft, geraten zunehmend unter Zugzwang. Während Neobroker mit schlanken Apps und radikal niedrigen Gebühren ganze Kundengenerationen an sich binden, verzeichnen die öffentlich-rechtlichen Banken Abwanderungen in den Kernzielgruppen der 14- bis 49-Jährigen.
Sparkassen-Bundesobmann Walter Strohmaier bringt die Herausforderung nüchtern auf den Punkt:
„Wir müssen das Angebot einfacher, digitaler und preisgünstiger machen.“
Absturz im Wertpapiergeschäft
Die Zahlen sind eindeutig: Vor 20 Jahren hielten Sparkassen 26 Prozent Marktanteil im Depotgeschäft. Heute sind es noch 21 Prozent. Parallel dazu haben private Banken, angetrieben von Trade Republic, Scalable Capital und Co., ihren Anteil von 35 auf 59 Prozent gesteigert.
PwC-Daten auf Basis der Bundesbank belegen damit einen Paradigmenwechsel: Junge Anleger, die einst selbstverständlich zu Sparkassen oder Volksbanken gingen, eröffnen ihr Depot heute fast reflexartig beim Neobroker.
Preisfrage entscheidet über Zukunft
Die strukturellen Nachteile sind offensichtlich. Während Neobroker mit knapp einem Euro pro Order werben und keine Depotgebühren verlangen, liegen die Kosten bei Sparkassen oft bei zehn Euro oder mehr pro Transaktion – ein Preisunterschied, den gerade Kleinanleger nicht ignorieren können. Strohmaier fordert deshalb von den hauseigenen Dienstleistern DWP Bank und Deka, ihre Leistungen deutlich günstiger anzubieten.
Ohne einen Preisrutsch im Hintergrundsystem sei eine konkurrenzfähige Weitergabe an die Endkunden unmöglich.
App-Offensive mit Bremsklotz
Ein weiteres Manko: Der Handel läuft derzeit über die separate S-Invest-App. Künftig sollen Käufe und Verkäufe direkt in die zentrale „Sparkasse“-App integriert werden – ein Schritt, den Strohmaier als entscheidend für die Nutzerakzeptanz bezeichnet.
Doch technologische Anpassungen allein reichen nicht. Die Sparkassen wissen, dass die Kundenerwartung mittlerweile von der reibungslosen User Experience der Neobroker geprägt ist. Ein halbherzig modernisiertes Angebot könnte die Erwartungen eher enttäuschen als Begeisterung auslösen.
Konkurrenz schläft nicht
Auch die Konkurrenz legt nach. Die DKB etwa hat die DWP Bank als Wertpapierdienstleister abgeschüttelt und kooperiert künftig mit dem Berliner Fintech Upvest, um Technik und Gebühren wettbewerbsfähig zu machen. Für die Sparkassen bedeutet das: Selbst langjährige Partner springen ab, wenn die Kostenstrukturen nicht mehr passen.
Traditionsstärke vs. Innovationszwang
Mit 36 Millionen Girokonten verfügen die Sparkassen nach wie vor über eine einzigartige Reichweite. Diese Kundenbasis könnte ihnen, wenn sie konsequent digitalisieren und die Preise senken, eine zweite Chance im Wertpapierhandel eröffnen.
Doch der Vertrauensbonus aus der Vergangenheit reicht nicht mehr. Eine ganze Generation junger Anleger hat bereits gelernt, dass Wertpapierhandel nicht zehn, sondern einen Euro kostet – und dass eine App keine Umwege kennen darf.
Die Sparkassen stehen damit vor einer simplen, aber entscheidenden Frage: Sind sie bereit, ihr Geschäftsmodell radikal zu modernisieren – oder schauen sie zu, wie Neobroker ihnen das Fundament im Privatkundengeschäft weiter entziehen?
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