14. Mai, 2025

Unternehmen

Software-Offensive bei Bosch – Hoffnungsträger oder Selbsttäuschung?

Bosch will sich mit Software neu erfinden – und könnte genau daran scheitern. Der Konzern kämpft nicht nur mit der Autokrise, sondern mit sich selbst.

Software-Offensive bei Bosch – Hoffnungsträger oder Selbsttäuschung?
Bosch demonstriert in Ulm, wie Industrie 4.0 funktionieren kann – doch die Offenheit für externe Partner bleibt selbst im Vorzeigeprojekt begrenzt.

In Ulm steht die Zukunft. Doch die größte Schwäche von Bosch liegt im Konzern selbst. In der Modellfabrik von Bosch in Ulm funktioniert alles reibungslos. Roboter greifen zu, Förderbänder laufen, Maschinen reagieren auf Fingertipps.

Ein Mensch mit Tablet reicht aus, um komplette Fertigungsstraßen umzuprogrammieren.

Ulm
Bosch in Ulm

Was hier so mühelos aussieht, ist der große Hoffnungsträger eines Konzerns, der mit seinen klassischen Geschäftsfeldern kaum noch Wachstum erzielt. Bosch setzt auf Software – und sucht darin seine Rettung.

Der Druck wächst – und die Zahlen drücken

2024 war ein schlechtes Jahr für Bosch. Der Gewinn brach um die Hälfte ein, das operative Ergebnis sank um mehr als ein Drittel. Bohrmaschinen, Heizungen, Autoteile – alles schwächelt.

Die weltweite Autokrise trifft Bosch besonders hart: Mehr als 60 Prozent des Umsatzes hängen am Fahrzeuggeschäft. Umso größer ist der Wunsch, sich neu zu erfinden – als Softwarekonzern mit Industrie-Know-how.

Software soll alles retten – wirklich alles?

Die Softwarestrategie ist ambitioniert: sechs Milliarden Euro Umsatz bis 2030. Doch aus welcher Ausgangsbasis?

Bosch schweigt sich darüber aus. Statt konkreter Zahlen gibt es starke Versprechen: Jeder Geschäftsbereich solle künftig mit künstlicher Intelligenz arbeiten, jedes Produkt digitale Mehrwerte bieten.

Vernetzte Bohrmaschinen, intelligente Öfen, smarte Motorsteuerung – Bosch will überall Software hineinbringen.

Bosch will bis 2030 sechs Milliarden Euro mit Software verdienen – konkrete Zahlen zum heutigen Stand des Bereichs legt der Konzern jedoch nicht offen.

Die entscheidende Frage bleibt: Wird damit auch Geld verdient? Oder entstehen nur digitale Spielereien ohne Mehrwert?

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die Beispiele klingen oft nach Zukunft, fühlen sich aber eher wie Feigenblätter an. Ein „Sensor-Ofen“ soll das perfekte Backergebnis liefern. Eine App kann in der Fabrik fehlende Bauteile erkennen.

Klingt nützlich – aber nicht nach Revolution. In den Kernmärkten, etwa beim Auto, hinkt Bosch hinterher. Von Software-defined Vehicles spricht der Konzern, doch die Realität ist ernüchternd: Viele Kunden kaufen ihre Systeme längst woanders.

Ein Konzern, der sich selbst im Weg steht

Digitalvorständin Tanja Rückert spricht von „Kulturwandel“. Tatsächlich aber erzählen viele Branchenpartner von verschlossenen Türen, trägen Prozessen und Kooperationen, die an der IT-Abteilung scheitern.

Während Techfirmen aus China oder Start-ups wie Momenta flexibel agieren, wirkt Bosch intern oft wie ein Labyrinth aus Zuständigkeiten und Selbstgenügsamkeit.

Ein Beispiel: Der Entwickler virtueller Sensoren Compredict präsentierte Bosch eine neue Lösung für vorausschauende Wartung. Die Antwort: höfliches Desinteresse. Eigene Teams seien bereits an ähnlichen Dingen dran. Das Ergebnis: keine Zusammenarbeit, kein Fortschritt.

Noch immer viel zu viel Bosch

Im Autobereich liegt der Anteil externer Software-Komponenten bei nahezu null Prozent. Bosch entwickelt fast alles selbst – aus Prinzip. Doch genau diese Haltung könnte sich als Achillesferse erweisen.

In einem Markt, der immer schneller Innovation verlangt, braucht es Offenheit. Nicht alles muss aus dem eigenen Haus kommen. „Wer nicht offen ist, ist nicht schnell genug“, sagt sogar der neue Fahrassistenz-Chef Yuhan Yao – ein Ex-Nio-Manager aus dem Silicon Valley, der seit Kurzem bei Bosch mitmischt. Nur: Offenheit ist bei Bosch eher die Ausnahme als die Regel.

Hoffnungsträger Rexroth – aber auch hier bleibt Skepsis

Ausgerechnet bei Rexroth, der Industriezuliefer-Tochter, zeigt Bosch, dass es anders ginge. Die Softwareplattform CtrlX erlaubt Fremdsoftware, externe Hardware, offene Schnittstellen – ein Betriebssystem für die Fabrikautomation. In Ulm ist das sichtbar.

Doch diese Denkweise bleibt auf einzelne Bereiche beschränkt. Gerade im Autogeschäft, dem größten und wichtigsten Segment, blockiert der Konzern sich selbst.

Mit Vollgas gegen die Wand?

Bosch hat das Know-how. Es hat die Leute – 48.000 Mitarbeitende arbeiten an Software, mehr als bei manchem IT-Konzern. Es hat auch die Mittel, um den Wandel zu stemmen.

Doch es fehlt an Klarheit. An Fokussierung. Und an einer echten strategischen Entscheidung: Will Bosch Technologie integrieren – oder kontrollieren?

Dass die Transformation gelingen kann, ist unbestritten. Doch die Zeit läuft. Wenn Bosch sich weiter mit halbherzigen Digitalideen verzettelt, während Kunden zu Nvidia, BYD oder Tesla abwandern, wird Software nicht zum Befreiungsschlag, sondern zum Bumerang.

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