Ein Verkauf mit Signalwirkung
Es ist einer der größten Technologiedeals des Jahres: Der Schweizer Elektrokonzern ABB trennt sich von seiner Robotiksparte – und verkauft sie für 5,4 Milliarden Dollar an den japanischen Technologieinvestor Softbank. Der Schritt kommt überraschend, denn eigentlich wollte ABB die Sparte 2026 an die Börse bringen.
Doch nach wochenlangen Gesprächen entschied sich der Verwaltungsrat anders: Softbank bot offenbar nicht nur den besseren Preis, sondern auch eine strategische Perspektive. „Das Angebot spiegelt die langfristigen Stärken unseres Robotikgeschäfts wider und schafft sofortigen Mehrwert für unsere Aktionäre“, erklärte ABB-Präsident Peter Voser.
Der Abschluss des Deals wird für Mitte bis Ende 2026 erwartet – vorbehaltlich der Genehmigung durch Wettbewerbsbehörden in Europa, den USA und Japan.
ABB zieht sich zurück – Softbank greift an
Mit dem Verkauf verabschiedet sich ABB aus einem Bereich, der lange als Kernkompetenz galt: Industrierobotik. Zwar bleibt der Konzern mit über 100.000 Mitarbeitern in Elektrifizierung und Automatisierung stark positioniert, doch die Robotik brachte zuletzt nur sieben Prozent des Konzernumsatzes. Die operative Marge lag mit 12,1 Prozent deutlich unter dem Restgeschäft.
Für ABB ist der Verkauf daher eine strategische Entlastung – und für Softbank eine Eintrittskarte in die industrielle Zukunft. Der japanische Technologiekonzern erhält mit dem Kauf Zugriff auf ABBs globale Produktions- und Kundennetzwerke in China, Schweden und den USA sowie auf Datenströme aus Tausenden Robotersystemen weltweit – der neue Rohstoff der KI-Ära.
Masayoshi Son: Der Mann mit der Mission
Softbank-Chef Masayoshi Son hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wetten auf die Zukunft platziert – und oft richtig gelegen. Ob Mobilfunk, E-Commerce oder Künstliche Intelligenz: Son sieht sich selbst als Architekt einer „Informationsrevolution“.

Mit ABB Robotics verfolgt er nun eine noch größere Vision. „Für Softbank ist physische KI die Zukunft“, erklärte Son. „Gemeinsam mit ABB Robotics bringen wir weltweit führende Technologie und Talente zusammen, um die Vision einer künstlichen Superintelligenz in greifbare Realität zu verwandeln.“
Schon in den 2010er Jahren hatte Son in humanoide Robotik investiert – mit „Pepper“ von Aldebaran und später durch den Kauf von Boston Dynamics von Google. Beide Projekte galten als ambitioniert, aber kommerziell erfolglos. Doch diesmal ist der Ansatz anders: Es geht nicht mehr um Roboter, die lächeln – sondern um Roboter, die denken.

Die neue Ära der intelligenten Maschinen
Der Kauf ist weit mehr als ein Industriegeschäft. Er steht für einen Wendepunkt in der Robotik: den Übergang von mechanischen Automatisierungssystemen zu lernenden, vernetzten KI-Maschinen.
ABB Robotics gehört zu den führenden Anbietern von Industrierobotern für Fertigung, Logistik und Automobilbau – und verfügt über jahrzehntelange Expertise in Bewegungssteuerung, Sensorik und Fertigungssoftware. Softbank will diese Erfahrung mit eigenen KI-Technologien und Rechenzentren verbinden.
Das Ziel: Roboter, die sich selbst optimieren, Produktionsabläufe autonom anpassen und mit Menschen interagieren können.
„Die Kombination von Robotik und generativer KI wird die Industrieproduktion in den kommenden zehn Jahren stärker verändern als die Automatisierung der letzten 50“, prognostiziert ein Branchenexperte aus Tokio.
Die strategische Logik hinter dem Deal
Softbanks Kauf reiht sich nahtlos in Sons neue Investitionsstrategie ein. Nach massiven Verlusten mit dem Vision Fund 1 hat der Konzern seine Wette neu ausgerichtet – weg von Digitalplattformen, hin zu Infrastruktur für Künstliche Intelligenz.
Die Partnerschaft mit OpenAI, dem Entwickler von ChatGPT, gilt dabei als Herzstück dieser Strategie. Softbank beteiligt sich über die Initiative Stargate, die bis zu 500 Milliarden Dollar in Rechenzentren, KI-Chips und Robotik investieren will.

Der ABB-Deal ist ein Puzzleteil in diesem Masterplan – und öffnet Softbank Zugang zu Industriedaten in Milliardenhöhe. Denn wer Maschinen intelligent machen will, braucht Daten. Und davon produziert die Industrie täglich mehr als jede andere Branche.
Japanische Renaissance im globalen Roboterkrieg
Mit der Übernahme wird Softbank schlagartig zum ernsthaften Konkurrenten der japanischen Platzhirsche Fanuc, Yaskawa und Kawasaki Heavy Industries – und stärkt zugleich Japans Rolle als Epizentrum der Weltrobotik.
Japanische Firmen liefern bereits heute mehr als 60 Prozent aller Industrieroboter weltweit. Doch während viele dieser Unternehmen technisch führend sind, fehlte ihnen bislang der Zugriff auf globale KI-Plattformen. Softbank schließt nun genau diese Lücke – mit ABB als Sprungbrett und OpenAI als strategischem Verbündeten.
Für ABB: Rückzug mit Gewinn
Finanziell zahlt sich der Verkauf für ABB aus. Der Konzern erwartet einen Buchgewinn von rund 2,4 Milliarden Dollar und einen Barmittelzufluss von etwa 5,3 Milliarden Dollar nach Transaktionskosten.
Das Geld will ABB in Dekarbonisierung, Netztechnologien und Automatisierungslösungen investieren – Bereiche mit höherer Marge und geringerer Zyklizität als die Robotik.
In Zürich wird der Schritt als „nüchterne, aber kluge Entscheidung“ bewertet. ABB verabschiede sich von einem prestigeträchtigen, aber kapitalintensiven Geschäft – und fokussiere sich auf Stabilität statt Schlagzeilen.
Ein Deal zwischen Vision und Wirklichkeit
Was wie eine Industrieübernahme aussieht, ist in Wahrheit ein strategischer Wettlauf um die Kontrolle über die intelligente Fabrik der Zukunft. Softbank kauft keine Roboter – sie kauft die Möglichkeit, Robotern Denken beizubringen.
Für ABB ist der Deal das Ende einer Ära. Für Masayoshi Son ist es der Beginn einer neuen.
