Shell erwägt die Übernahme von BP – ein Zusammenschluss zweier Schwergewichte, der ein Unternehmen mit rund 240 Mrd. Euro Marktwert schaffen würde. Nur Exxon bliebe größer.
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Shell will BP – ein Öl-Monster entsteht?
Shell prüft einem Medienbericht zufolge die Übernahme des Rivalen BP. Es wäre der größte Deal der europäischen Ölindustrie seit Jahrzehnten – und hätte tiefgreifende Folgen für Märkte, Wettbewerb und die Energiewende.
Plötzlich steht die Ölbranche vor einer Zäsur
In der europäischen Energiewirtschaft könnte es bald zu einer historischen Fusion kommen: Laut Bloomberg erwägt Shell, den angeschlagenen Wettbewerber BP zu übernehmen.
Das Volumen? Umgerechnet rund 66 Milliarden Euro. Eine Übernahme dieser Größenordnung wäre nicht nur ein industriepolitisches Beben – sie würde auch die Kräfteverhältnisse in der globalen Öl- und Gaskarte neu ordnen.
Die Gespräche sollen sich laut Insidern zwar noch in einem frühen Stadium befinden, doch das Momentum ist da: Der Aktienkurs von BP ist massiv gefallen, die operative Schwäche sichtbar. Shell wittert offenbar eine Gelegenheit, die sich so bald nicht wieder bietet – und lässt den Deal von Beratern durchrechnen.
Zwei Altmeister des Öls – bald unter einem Dach?
BP und Shell – zwei Namen, die fast synonym für Europas Ölgeschichte stehen. Beide Konzerne stammen ursprünglich aus dem britischen Empire, beide mussten in den letzten Jahrzehnten Krisen, Kurswechsel und Klimakritik überstehen.
Ein fusioniertes Unternehmen würde in der Liga von Chevron (aktuell rund 213 Mrd. Euro Marktkapitalisierung) mitspielen. Nur ExxonMobil bliebe mit rund 430 Mrd. Euro Bewertung noch klar außerhalb der Reichweite. Doch der Schritt wäre nicht ohne Nebenwirkungen.
Warum jetzt?
BP hat es derzeit schwer. Die Aktie verlor binnen eines Jahres knapp ein Drittel ihres Werts, Rückkäufe wurden gekappt, Investoren sind unzufrieden.
Der Hedgefonds Elliott Management fordert einen radikalen Umbau, drängt auf den Verkauf von Sparten und einen höheren Free Cashflow. Der einst ambitionierte Kurs in Richtung erneuerbare Energien wurde vom neuen CEO Murray Auchincloss faktisch gestoppt.
Shell dagegen steht vergleichsweise stabil da – bilanziell stark, operativ profitabel. Trotzdem gibt sich CEO Wael Sawan betont zurückhaltend: Man prüfe „anorganische Möglichkeiten“, doch die Messlatte sei hoch. Shell wolle nur dann zuschlagen, wenn der Deal den Free Cashflow je Aktie kurzfristig steigert. Gleichzeitig müsse „das eigene Haus“ erst vollständig in Ordnung gebracht werden, so Sawan.
Chancen auf Marktmacht
Synergiepotenzial gibt es reichlich: Beide Konzerne sind in den USA aktiv, etwa im Golf von Mexiko, und betreiben große Raffineriekapazitäten in Europa.
Im Vertrieb überschneiden sich Netzwerke – hier könnten Kosten eingespart werden. Auch auf der Explorationsseite würden sich Standorte ergänzen: BP ist stark in Aserbaidschan, Shell dagegen in Westafrika und Kasachstan.
Synergien im Golf von Mexiko und in der Raffinerie wären real – doch Wettbewerbshüter dürften einen solchen Deal in mehreren Ländern kritisch prüfen. Teilverkäufe wahrscheinlich.
Doch mit jeder Synergie wächst auch der regulatorische Schatten: Eine Fusion dieser Größenordnung würde mit Sicherheit von Wettbewerbshütern in Brüssel, Washington und London genau unter die Lupe genommen. Teilverkäufe wären wahrscheinlich – womöglich auch schmerzhaft.
Shell als „Wertjäger“ – oder als riskanter Gigant?
Der Begriff „Wertjäger“ fällt im Umfeld von Shells Strategie öfter. Gemeint ist: Nur einkaufen, wenn ein klarer Mehrwert erkennbar ist. Doch was ist der Preis, wenn der Wert eines Unternehmens wie BP vor allem aus dem Schrumpfen seiner Vision resultiert?
Denn BP galt lange Zeit als einer der Vorreiter in Sachen „grüner Umbau“. Der Kurswechsel zurück zum Ölgeschäft mag aus Sicht der Aktionäre sinnvoll sein – strategisch ist er ein Rückschritt.
Shell wiederum hat gerade begonnen, den eigenen Erneuerbaren-Bereich zu entwirren. Eine Übernahme würde die ohnehin schon langsame Energiewende nicht beschleunigen, sondern eher in den Verwaltungsapparat eines fossilen Supergiganten einfrieren.
Reaktionen am Markt: Euphorie trifft Skepsis
Am Montag reagierten die Märkte prompt: Die BP-Aktie legte auf Tradegate um über 2 % zu. Shell hingegen verlor rund 1,8 % – ein klassisches Signal: Der Übernommene profitiert, der Käufer wird hinterfragt.
Denn eine so große Transaktion ist teuer – nicht nur finanziell. Shell müsste nicht nur Milliarden stemmen, sondern auch ein hochkomplexes Integrationsprojekt starten, politisches Kapital investieren und regulatorisch vorbauen.
Der Showdown ist noch nicht beschlossen
Offiziell ist nichts entschieden. Shell prüft, BP schweigt. Aber die Tatsache, dass ein solcher Plan überhaupt offen diskutiert wird, zeigt: In der fossilen Energiebranche verschieben sich die Kräfte.
Die Preise sind gefallen, die Multiples gesunken, die Bewertungen unter Druck – das schafft Raum für Konsolidierung. Wer jetzt groß ist, könnte am Ende das Sagen haben.
Und Shell scheint entschlossen, diesen Moment nicht zu verpassen.