13. Oktober, 2025

Startups & VC

Schwarz übernimmt: Wie Lidl-Eigentümer Aleph Alpha unter Kontrolle bringt

Das Heidelberger KI-Vorzeigeprojekt verliert seinen Gründer – und gewinnt einen neuen Machtfaktor. Die Schwarz Gruppe zieht im Hintergrund längst die Fäden. Für Aleph Alpha beginnt eine neue Ära – zwischen Vision und Verwertung.

Schwarz übernimmt: Wie Lidl-Eigentümer Aleph Alpha unter Kontrolle bringt
Lidl trifft KI: Die Schwarz Gruppe will Aleph Alpha in ihre digitale Infrastruktur integrieren – vom Warenlager bis zur Preissteuerung.

Kaum ein deutsches Start-up stand je so sinnbildlich für den Traum einer europäischen Tech-Souveränität – und für seinen jähen Realitätscheck.
Aleph Alpha, 2019 vom ehemaligen Apple-Forscher Jonas Andrulis gegründet, wollte nichts Geringeres als die Antwort auf OpenAI werden. Ein deutsches Sprachmodell, unabhängig, erklärbar, vertrauenswürdig.

Heute, sechs Jahre später, ist von dieser Vision wenig übrig. Andrulis hat seinen Posten als CEO verloren, rückt in den Aufsichtsrat – und übergibt das operative Steuer an zwei Manager, die aus einem ganz anderen Kosmos kommen: der Schwarz Gruppe, dem Handelsimperium hinter Lidl und Kaufland.

Ein Machtwechsel mit Ansage

Neuer Chef ist Reto Spörri, ein Mann aus dem Maschinenraum der Schwarz-Gruppe, zuletzt verantwortlich für deren E-Commerce-Sparte. Unterstützt wird er von Ilhan Scheer, einem früheren Accenture-Partner, der bei Aleph Alpha künftig das Wachstum steuern soll.

Beide sollen das schaffen, was Andrulis zuletzt nicht mehr gelang: aus ambitionierter Forschung ein belastbares Geschäftsmodell zu machen.
Intern heißt es, die neue Doppelspitze solle Aleph Alpha „professionalisieren“ – ein Codewort, das in Start-up-Kreisen meist bedeutet: Kontrolle übernehmen.

Denn mit Spörri an der Spitze hat die Schwarz Gruppe ihre Einflusszone massiv ausgedehnt. Der Konzern aus Neckarsulm, längst einer der größten Anteilseigner, diktiert damit erstmals auch die strategische Richtung.

Der Preis der Rettung: Ohne Schwarz kein Kapital – aber auch keine Unabhängigkeit.

Von Vision zu Verwaltung

Aleph Alpha war einst das Symbol eines deutschen Aufbruchs in die KI-Ära – ein selbst entwickeltes Sprachmodell, das nicht nur rechnen, sondern verstehen sollte. Doch die Realität des Marktes war härter als die Ideale der Forschung.

Während OpenAI Milliardeninvestitionen von Microsoft einsammelte und Anthropic von Amazon finanziert wurde, blieb Aleph Alpha klein. Die erhofften öffentlichen Aufträge kamen nur schleppend, das Geschäftsmodell blieb diffus.
Aus dem einstigen OpenAI-Rivalen wurde ein Anbieter für „sichere KI-Lösungen“ – vor allem für Behörden und Unternehmen aus dem öffentlichen Sektor.

Damit aber verschwand Aleph Alpha aus dem internationalen Rampenlicht – und geriet in finanzielle Schieflage.

Die Stunde der Schwarz Gruppe

In dieser Phase trat die Schwarz Gruppe auf den Plan. Offiziell als Investor, faktisch jedoch als strategischer Retter – und Türöffner in die industrielle Welt.

Die Motivation ist klar: Schwarz digitalisiert seine gesamte Handels- und Logistikinfrastruktur, von der Warensteuerung bis zu Prognosesystemen. Dafür braucht der Konzern leistungsfähige KI – und die hat er sich jetzt de facto gesichert.

Mit Spörri im Chefsessel wird Aleph Alpha zunehmend zu einer technologischen Tochter im Dienste des Konzerns.
Künftig könnte die Firma KI-Systeme entwickeln, die tief in die digitale Wertschöpfungskette von Lidl und Kaufland eingebettet sind – von Warenlogistik bis Preisoptimierung.

Für manche Investoren ist das eine Rettung in letzter Minute. Für andere eine feindliche Umarmung.

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Andrulis Rückzug – mehr als nur ein symbolischer Schritt

Jonas Andrulis, der Tüftler aus Heidelberg, bleibt zwar als größter Anteilseigner und Aufsichtsratschef im Spiel, doch sein Einfluss schwindet rapide.
Seine Vision, KI aus Europa heraus demokratisch und erklärbar zu gestalten, war auf Idealismus gebaut – und auf Investoren, die Geduld mitbringen.

Doch Geduld ist ein Luxus, den ein Handelskonzern mit Milliardenumsätzen selten kennt.
Mit Spörri und Scheer zieht jetzt Effizienzlogik statt Forschungsgeist ein.

Das Ende der großen deutschen KI-Hoffnung

Aleph Alpha war einmal das Projekt, das beweisen sollte, dass auch in Deutschland Welttechnologie entstehen kann.
Heute ist es das Beispiel, wie schwierig es ist, Deep-Tech und Kapitaldisziplin unter einen Hut zu bringen.

Die Schwarz Gruppe dürfte Aleph Alpha zu einem strategischen Werkzeug umbauen – profitabel, aber domestiziert.
Für Europa ist das ein herber Verlust: Wieder einmal hat ein Konzern aus der alten Industrie das Steuer übernommen, wo eigentlich neue Technologie wachsen sollte.

KI made in Germany – jetzt im Konzernformat

Jonas Andrulis hat Geschichte geschrieben – aber die Kontrolle verloren.
Was als Kampfansage an das Silicon Valley begann, endet als Teil einer Handelsstrategie aus Neckarsulm.

Aleph Alpha lebt weiter – doch der Traum von einem europäischen OpenAI ist vorbei.
Was bleibt, ist eine Lektion: Innovation entsteht aus Freiheit, nicht aus Besitzverhältnissen.

Tech-Milliarden made in Germany – vom Silicon Valley bis Check24
Die reichsten Köpfe der deutschen Techszene vereinen Pioniergeist, Timing und Hartnäckigkeit – vom legendären Sun-Mitgründer Andreas von Bechtolsheim bis zu den Selfmade-Digitalunternehmern von Check24. Die InvestmentWeek zeigt, wer das digitale Vermögen der Republik prägt – und wer es verliert.