Kein Kakao, keine Kompromisse: Planet A Foods entwickelt eine Schokoladenalternative, die nachhaltiger ist als das Original – und inzwischen Einzug in die Regale großer Handelsketten hält. Doch was steckt hinter dem Hype um „ChoViva“ – und was kommt als Nächstes?
Ein neuer Geschmack der Zukunft
Ein Preis-Schock, wie ihn die Kakaoindustrie seit Jahrzehnten nicht erlebt hat: 2024 schoss der Preis für eine Tonne Kakaobohnen auf bis zu 13.000 Dollar – fast das Vierfache des Durchschnitts der letzten Jahre.
Während sich Schokohersteller von Lindt bis Nestlé die Kalkulationen neu ausrechnen mussten, kam ein kleines Unternehmen aus Bayern zur richtigen Zeit mit der richtigen Idee.
Planet A Foods heißt das Start-up, das Schokolade produziert – ohne Kakaobohnen. Stattdessen nutzen die Gründer Sara und Maximilian Marquart Sonnenblumenkerne, die sie mithilfe von Röstung und Fermentation in etwas verwandeln, das nicht nur wie Schokolade schmeckt, sondern auch wie Schokolade aussieht und sich verhält.
Die Produktlinie nennt sich „ChoViva“ – und hat bereits in großem Stil den deutschen Lebensmittelhandel erreicht.

Vom Küchentisch zur Industrieanlage
Die Idee ist nicht neu, aber die Konsequenz ihrer Umsetzung ist es. Sara Marquart, Biochemikerin mit Spezialisierung auf Röstaromen, erkannte früh: Der Geschmack von Schokolade kommt zu 80 Prozent aus dem Verarbeitungsprozess – nicht aus der Bohne selbst.
Also fragte sich das Geschwisterduo: Warum dann nicht ganz auf die teure, anfällige Kakaobohne verzichten?
Nach Experimenten mit Soja, Mais und Hafer landeten sie bei der Sonnenblume. Ihre erste Anlage errichteten sie in einem Labor der ETH Zürich, heute lassen sie in einer angemieteten Fabrik im tschechischen Pilsen produzieren – bereits über 10.000 Tonnen jährlich.
Rewe, Kaufland, Griesson-de Beukelaer, Kölln: Sie alle verwenden ChoViva inzwischen in Keksen, Pralinen oder Müslis. Der Umsatz hat sich 2024 versiebenfacht.
Ein Fall für Entscheider – und Investoren
Die industrielle Nische ist vorbei. Wer bei Planet A Foods heute anklopft, will nicht mehr nur ein bisschen Nachhaltigkeit fürs Image – sondern vor allem Versorgungssicherheit.
Denn mit Kakao ist in den kommenden Jahren nicht gut zu planen: Über 70 % stammen aus Westafrika, wo Klimaschocks, Missernten und politische Instabilität die Lieferketten gefährden.
Planet A Foods dagegen setzt auf einen vergleichsweise günstigen und gut verfügbaren Rohstoff, investiert 30–40 % des Umsatzes in Forschung und Entwicklung – und baut gezielt technologische Alleinstellungsmerkmale auf. Kapital dafür ist vorhanden: 45 Millionen Dollar Risikokapital haben die Marquarts bereits eingesammelt, unter anderem von Burda und Tengelmann.
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Technologie schlägt Marketing
Was Planet A Foods von Ex-Start-up-Stars wie Oatly oder Beyond Meat unterscheidet?
Der Verzicht auf laute Markeninszenierung. Während Oatly mit Super-Budgets in die Supermärkte drängte und heute mit sinkenden Aktienkursen kämpft, setzt Planet A Foods auf leise Skalierung. Keine bunte Tafelschokolade, sondern industrieller Einsatz – effizient, margenstark, technologisch geschützt.
Auch darin sehen Experten wie Bain-Partner Karl Strempel die Stärke des Unternehmens:
„Im Vergleich zu anderen Kakao-Alternativen hat Planet A Foods ein skalierbares Verfahren mit technologischer Tiefe. Das macht sie zum ernstzunehmenden Player.“
Nicht umsonst zeichnete ihn das manager magazin gemeinsam mit Bain & Company als „Rising Star“ beim Game Changer Award 2025 aus.
Was kommt nach der Schokolade?
Die eigentliche Vision der Gründer aber geht weit über das süße Segment hinaus. Kakao war nur der Anfang. Derzeit forschen sie an Alternativen zu Kakaobutter, Palmöl und Kokosöl – allesamt globale Massenrohstoffe mit zweifelhafter Ökobilanz. Die Marquarts wollen eine Fermentationsplattform schaffen, mit der sich problematische Agrarrohstoffe systematisch ersetzen lassen.
Ziel: 500 Millionen Tonnen CO₂ einsparen – jährlich. Eine Zahl, die fast zu ambitioniert klingt, um ernst genommen zu werden. Aber ChoViva allein hat laut Unternehmensangaben bereits 13.000 Tonnen CO₂ eingespart – trotz noch bescheidener Marktanteile. Und der Kakaopreis dürfte ihnen auch 2025 weiter in die Karten spielen.
Ein Konzern im Körper eines Start-ups
Wer das Firmengelände in Martinsried bei München betritt, denkt nicht an ein Milliardenprojekt. Flipcharts, Polaroidfotos, Rührgeräte neben Conchiermaschinen.
Das Flair erinnert eher an ein ambitioniertes Uni-Labor als an einen globalen Food-Tech-Player. Aber genau das macht Planet A Foods gefährlich für die Platzhirsche der Branche: Sie sind technikgetrieben, nicht imageverliebt. Und ihre Zeit scheint gekommen.
Denn wenn sich ein Unternehmen mit 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegen ein jahrhundertealtes, auf Kolonialwaren basierendes System stellt – und dabei nicht nur idealistisch, sondern auch ökonomisch überzeugt –, dann muss die Konkurrenz aufhorchen.
Der nächste große Wurf?
Ob Planet A Foods das nächste Oatly oder das nächste SAP wird, lässt sich heute nicht sagen. Aber der Unterschied liegt im Ansatz: Statt nur zu imitieren, definieren die Marquarts die Regeln neu. Der Begriff „Schokolade“ ist dabei nur ein Platzhalter – für eine Lebensmittelindustrie, die effizienter, nachhaltiger und vielleicht sogar ein bisschen intelligenter werden könnte.
Und während andere noch über CO₂-Ziele und Lieferketten debattieren, rühren sie in Martinsried bereits am nächsten fermentierten Coup.
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