Ein neues Jahrestief setzt ein deutliches Signal
Es brauchte nur wenige Wochen, bis sich aus einer Seitwärtsphase ein klarer Abwärtstrend formte. Die SAP-Aktie hat seit Jahresbeginn rund 14 Prozent verloren und am Mittwoch mit 203,65 Euro ein neues Jahrestief markiert. Zwar erholte sich der Kurs bis Handelsschluss auf 206,70 Euro, doch die Botschaft bleibt: Der Markt zweifelt an der operativen Dynamik des wertvollsten deutschen Unternehmens.
Die Abschwächung im US-Techsektor spielte SAP in die Hände der Skeptiker. Viele Anleger nahmen die Aktie als Stellvertreter für eine schwächelnde Branche – und setzten sie damit unter Druck, obwohl SAP eine andere Geschäftsstruktur hat als die US-Riesen.
Cloudgeschäft unter Erwartungen – ein empfindlicher Dämpfer
Der entscheidende Belastungsfaktor liegt im eigenen Haus: SAP musste seine Erwartungen an das Cloudwachstum senken. Für einen Konzern, der mit der „Cloud-First“-Strategie sein gesamtes Geschäftsmodell umgebaut hat, wirkt dieser Rückschlag besonders schwer.

Die Senkung der Prognose zeigt, dass die Migration großer Kunden langsamer vorankommt und die Nachfrage im Corporate-Segment abkühlt. Dazu kommt steigende Konkurrenz in Bereichen, die SAP lange weitgehend dominierte – etwa in der Planung, der Fertigungssteuerung und in komplexen Supply-Chain-Prozessen.
Im Ergebnis entsteht das Bild einer Transformation, die weiterhin funktioniert, aber nicht mehr im hohen Tempo, das die Märkte in den vergangenen Jahren als selbstverständlich angesehen hatten.
Die Klage von o9 Solutions erhöht den Druck
Kurz nach der Prognosesenkung folgte der nächste Schlag: Das US-Unternehmen o9 Solutions reichte am 25. November Klage ein – mit dem Vorwurf, SAP habe Geschäftsgeheimnisse aus dem Bereich KI-gestützter Planungssoftware unerlaubt übernommen.
Kern der Anschuldigungen ist der Vorwurf, dass drei ehemalige o9-Führungskräfte vor ihrem Wechsel zu SAP jeweils mehr als 20.000 vertrauliche Dateien heruntergeladen haben sollen – darunter technische Architekturunterlagen, Roadmaps, Marketing- und Vertriebsdaten.
o9 behauptet, SAP habe diese Informationen genutzt, um eigene Produkte für Enterprise Planning und Supply-Chain-Management stärker an die Architektur von o9 anzulehnen – mit dem Ziel, einen direkten Wettbewerber zu schwächen. Die Forderung: Unterlassung, Schadensersatz, und eine klare juristische Grenzziehung.

Ein Fall mit weitreichender Bedeutung
Für SAP steht mehr auf dem Spiel als ein einzelner Prozess. Die Vorwürfe treffen den Konzern in einem strategischen Schlüsselbereich – der Integration von KI in Planungssoftware. Die Konkurrenz ist hart, und o9 gehört zu den agileren Newcomern des Marktes. Die Frage, ob SAP die eigenen Innovationen sauber aufbaut, wird damit unweigerlich zum Reputationsrisiko.
Ein ungünstiger Ausgang würde nicht nur finanziell belasten, sondern möglicherweise auch geschäftlich: Unternehmenskunden legen im Cloud- und KI-Umfeld großen Wert auf Vertrauen und Stabilität. Eine Klage in diesem Umfang wirft Schatten auf beide Begriffe.
Die Aktie bleibt anfällig – aber nicht chancenlos
Trotz des Drucks ist SAP weit von einer strukturellen Krise entfernt. Der Konzern hat starke Cashflows, ein tief verankertes Kundenökosystem und hohe Wechselkosten bei seinen Unternehmenskunden.
Doch die Kombination aus:
- Cloud-Verlangsamung,
- wachsendem Wettbewerbsdruck,
- negativen Branchensignalen,
- und der Klage aus den USA
macht die Aktie kurzfristig anfällig. Für langfristige Investoren bleibt SAP ein Schwergewicht mit klarer Perspektive – für den Markt ist es derzeit jedoch ein Wert, der erst wieder beweisen muss, dass die Wachstumsstory intakt ist.



