Streik bei F-15-Produktion – ausgerechnet jetzt
Kaum ist der letzte große Arbeitskampf halbwegs ausgestanden, geht bei Boeing schon wieder das Licht aus. In den US-Bundesstaaten Missouri und Illinois haben rund 3.200 Beschäftigte der Rüstungssparte am Montag die Arbeit niedergelegt. Sie gehören der einflussreichen Gewerkschaft International Association of Machinists and Aerospace Workers (IAM) an – und lehnten ein neues Vertragsangebot von Boeing am Wochenende klar ab.
Der Fokus liegt diesmal auf der Fertigung militärischer Kernprodukte: Kampfflugzeuge vom Typ F-15, Teile für die F/A-18, Raketensysteme und militärische Drohnentechnologie.
Die Werke sind ein essenzieller Teil von Boeings Defense-, Space- & Security-Sparte, die fast ein Drittel des Konzernumsatzes generiert. Der Streik trifft das Unternehmen also an empfindlicher Stelle – und das in einer Zeit, in der Boeing ohnehin tief in der Krise steckt.
Vertrauen verspielt – und keine Luft zum Atmen
Denn bei Boeing reiht sich seit Jahren eine Katastrophe an die nächste: Die Abstürze der 737 Max-Reihe mit Hunderten Toten, technische Pannen, Qualitätsmängel und Flugverbote haben dem Unternehmen nicht nur Milliardenverluste eingebrockt, sondern auch massiv an der Reputation genagt.
Der jüngste Streik im zivilen Bereich im Herbst 2024, der die Produktion der 737 und des Langstreckenjets 777 für zwei Monate lahmlegte, ist noch nicht vergessen. Damals mussten erst 38 Prozent mehr Lohn über vier Jahre auf den Tisch gelegt werden, bevor wieder gearbeitet wurde. Eine teure Lektion – aber offenbar keine langfristige Lösung.
Militärprojekte als Sanierungsfall
Besonders bitter: Auch Boeings Rüstungssparte, einst als stabilisierender Pfeiler im Konzern gefeiert, ist längst nicht mehr verlässlich. Die Pentagon-Großaufträge geraten regelmäßig in Verzug – oder explodieren in den Kosten.
Ein besonders kritisches Projekt ist die Umrüstung zweier Boeing 747 zu neuen „Air Force One“-Jets für den US-Präsidenten. Die Modernisierung verschlingt Milliarden, hinkt dem Zeitplan deutlich hinterher – und wurde politisch bereits mehrfach zur Blamage erklärt.
Börse reagiert prompt – Vertrauen sinkt weiter
An der Börse zeigt sich das Misstrauen deutlich: Die Boeing-Aktie verliert am Montagmorgen im vorbörslichen US-Handel erneut an Wert – minus 0,35 Prozent auf 221,12 Dollar. Das klingt nach wenig, doch im Kontext der Kursentwicklung ist es nur ein weiteres Glied in einer langen Kette an Enttäuschungen.
Auch aus deutscher Sicht bleibt Boeing problematisch: Viele heimische Anleger halten Boeing im Depot – teils über US-ETFs, teils direkt als Einzeltitel. Doch das einstige „Buy-and-Hold“-Symbol ist längst ein Sanierungsfall geworden – ohne Aussicht auf schnelle Besserung.
Was jetzt auf dem Spiel steht
Der aktuelle Streik ist kein Betriebsunfall – sondern ein Symptom struktureller Probleme. Boeing hat nicht nur ein Führungs-, sondern auch ein Kulturproblem: Jahrzehntelang auf Kosten gedrillt, wurde Qualität zum Randthema. Das rächt sich nun, nicht nur in der zivilen Luftfahrt.
Für die US-Regierung, die auf Boeing als Schlüsselzulieferer der Rüstungsindustrie setzt, wird das zunehmend brisant. In geopolitisch aufgeheizten Zeiten – vom Ukrainekrieg bis zum Taiwan-Konflikt – sind Produktionsausfälle bei Kampfjets und Raketen mehr als nur ärgerlich.
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