Der Mann, der immer wiederkehrt
Frank Niehage war nie der Typ für leise Abgänge – und offenbar auch nicht für lange Auszeiten. Ein Jahr nach seinem öffentlichkeitswirksamen Bruch mit FlatexDegiro ist der ehemalige Vorstandschef wieder im Gespräch für ein Spitzenamt.
Nach Recherchen des manager magazins gilt er als aussichtsreicher Kandidat für den CEO-Posten bei Solaris, dem Berliner Embedded-Banking-Fintech, das selbst eine bewegte Vergangenheit hinter sich hat – und eine ungewisse Zukunft vor sich.
Ein Stühlerücken mit Signalwirkung
Solaris, 2016 als Technologie-Vorreiter unter den Neobanken gestartet, ist längst kein Startup mehr, sondern ein komplexes Konglomerat aus Banklizenz, regulatorischem Druck und B2B-Geschäftsmodell.
Carsten Höltkemeyer, der aktuelle CEO, hatte im Krisenjahr 2023 übernommen und galt als Stabilitätsanker – nicht zuletzt wegen seiner Erfahrung bei Barclaycard und als ehemaliger Chief Risk Officer.
Nun steht offenbar erneut ein Wechsel an der Spitze an. Dass ausgerechnet Niehage als Nachfolger gehandelt wird, überrascht – und passt doch ins Bild einer Branche, in der belastbare Netzwerke oft schwerer wiegen als fehlerfreie Biografien.
Niehages Flatex-Erbe – Aufstieg, Streit, Abgang
Zehn Jahre lang führte Frank Niehage den Neobroker FlatexDegiro – und machte aus dem Nischenanbieter einen börsennotierten Marktführer mit europäischem Anspruch.

Doch am Ende stand ein Machtkampf mit Mehrheitseigner Bernd Förtsch, der so öffentlich wie unversöhnlich ausgetragen wurde. „Unterschiedliche Auffassungen zur strategischen Entwicklung“ lautete die offizielle Sprachregelung – tatsächlich ging es um Kontrolle, Tempo und die Frage, wem der Erfolg gehört.
Niehage hatte das Unternehmen während der Corona-Börsenrally auf Rekordhöhen geführt, war aber zuletzt intern umstritten. Kritiker warfen ihm vor, auf Wachstum um jeden Preis gesetzt und die operativen Risiken unterschätzt zu haben. Sein Abgang im Frühjahr 2024 war ein Bruch – nicht nur mit dem Unternehmen, sondern mit einem Jahrzehnt, das er geprägt hatte.
Solaris: Der Job, den keiner leicht übernimmt
Sollte Niehage tatsächlich bei Solaris anheuern, übernimmt er kein einfaches Mandat. Das Fintech hat 2023 mit einer Reihe regulatorischer Baustellen zu kämpfen gehabt – darunter eine Sonderprüfung der BaFin, eine interne Reorganisation und ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Kontrollsysteme.
Hinzu kommt: Das Geschäftsmodell von Solaris, Banking-as-a-Service für Partner wie Vivid oder Grover, steht unter Druck. Neue EU-Regulierungen und gestiegene Anforderungen an Third-Party-Providers machen das Modell kapitalintensiv – und riskant.
In der Branche heißt es, Solaris brauche jetzt eine Führungspersönlichkeit, die „weiß, wie man durch Gegenwind steuert“ – und die mit Regulierern sprechen kann, ohne ihnen auszuweichen. Niehage bringt beides mit. Doch ob er auch die Geduld für ein solches Restrukturierungsprojekt hat, bleibt offen.
Ein möglicher Deal mit Symbolcharakter
Für die Branche wäre Niehages Rückkehr ein Signal – und eine Art Rehabilitation. Trotz seiner Verdienste bei FlatexDegiro wurde sein Abgang als Abstieg wahrgenommen.
Ein erfolgreicher Neustart bei Solaris könnte dieses Narrativ drehen. Doch dafür müsste Niehage nicht nur ein angeschlagenes Fintech stabilisieren, sondern auch das Vertrauen von Investoren, Partnerbanken und Aufsichtsbehörden gewinnen.
Dass Solaris sich einen prominenten CEO sucht, zeigt auch, wie ernst die Lage ist. Es geht nicht nur um Führung – sondern um Glaubwürdigkeit. Und die ist in der Welt des Embedded Finance ebenso knapp wie regulatorisches Kapital.
Branchenintern: Respekt und Skepsis
Niehage genießt in Teilen der Finanzszene Anerkennung für seine Durchsetzungskraft – aber auch einen Ruf als harter Stratege, der Konflikte nicht scheut.
Genau das könnte bei Solaris von Vorteil sein – oder zum Problem werden. Denn das Unternehmen steht intern vor einer Phase der Konsolidierung, in der nicht nur technologische, sondern auch kulturelle Fragen im Raum stehen.
Ehemalige Weggefährten beschreiben Niehage als detailversessen, meinungsstark und wenig kompromissbereit. Eigenschaften, die in einem Umfeld mit angeschlagenem Teamgeist auch als Belastung wirken können. Andererseits: Ein CEO ohne klare Linie wäre für Solaris derzeit das größere Risiko.
Viel Macht, wenig Spielraum
Die Entscheidung über die CEO-Nachfolge bei Solaris soll laut Branchenkreisen „in den kommenden Wochen“ fallen. Noch sind auch andere Kandidaten im Rennen. Doch dass Niehage überhaupt auf der Shortlist steht, sagt viel über die Ambitionen – und die Herausforderungen – des Unternehmens.
Ob der Plan aufgeht, bleibt abzuwarten. Klar ist: Niehage würde nicht einfach nur an die Spitze einer Bank zurückkehren – sondern in ein Machtvakuum, das Führung erfordert, ohne autoritär zu wirken. Und in ein Geschäftsmodell, das auf Partner setzt – in einer Zeit, in der viele lieber für sich allein kalkulieren.
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