Wer künftig bei E-Autos, Energiespeichern oder Smartphones mitmischen will, muss sich den Zugriff auf Lithium sichern. Der britisch-australische Bergbaugigant Rio Tinto tut genau das – mit einem strategischen Schulterschluss mit Codelco, Chiles staatlichem Rohstoffhüter.
Gemeinsam wollen sie eines der bedeutendsten Lithiumvorkommen der Welt erschließen – im Salar de Maricunga, einer Hochlandwüste auf über 3.700 Metern Höhe.
900 Millionen Dollar für ein Zukunftsmetall
Der Rahmen ist abgesteckt: 49,99 Prozent der neu gegründeten Projektgesellschaft „Salar de Maricunga SpA“ gehen an Rio Tinto. Der Einstieg ist schrittweise geplant: 350 Millionen Dollar fließen zunächst in technische Studien, Umweltprüfungen und geologische Analysen.
Weitere 500 Millionen Dollar sollen folgen, sofern die Behörden dem Bau zustimmen und die finale Investitionsentscheidung gefällt wird. 50 Millionen Dollar stellt Rio Tinto zusätzlich in Aussicht – allerdings nur, wenn bis Ende 2030 die ersten Tonnen Lithium ausgeliefert werden.
Für CEO Jakob Stausholm ist der Deal ein Meilenstein: „Maricunga passt perfekt in unsere Strategie, kritische Rohstoffe für die Energiewende langfristig abzusichern.“ Tatsächlich ist der Deal mehr als nur ein Projekt – er ist ein geopolitisches Statement in einem Markt, der zunehmend von Chinas Dominanz geprägt ist.

Lithium – strategisch, knapp, umkämpft
Der globale Bedarf an Lithium dürfte sich laut IEA bis 2030 mehr als verdreifachen. Haupttreiber sind Elektrofahrzeuge, Netzspeicherlösungen und industrielle Anwendungen.
Während chinesische Konzerne wie Tianqi, Ganfeng oder BYD weltweit Lithiumminen aufkaufen, ist der Zugang westlicher Unternehmen bisher fragmentiert. Rio Tintos Vorstoß nach Chile – dem Land mit den größten Lithiumreserven nach Bolivien – ist daher auch als geopolitisches Gegengewicht zu verstehen.
Brisant: In der Vergangenheit hatte die chilenische Regierung unter Präsident Gabriel Boric wiederholt angekündigt, die Lithiumförderung stärker unter staatliche Kontrolle zu bringen. Dass nun ausgerechnet Codelco, bislang vor allem für Kupfer bekannt, zum Lithium-Partner westlicher Konzerne wird, zeigt: Auch Chile sucht neue Partner – aber auf Augenhöhe.
Direkte Lithiumextraktion: Effizienter, aber auch riskanter
Im Salar de Maricunga soll ein neuer technischer Ansatz zum Einsatz kommen: die sogenannte Direktlithiumextraktion (DLE). Anders als bei herkömmlichen Verdunstungsbecken verspricht DLE eine schnellere, umweltfreundlichere und wasserärmere Gewinnung. Theoretisch.
Denn bisher existieren nur wenige industrielle Großanlagen mit dieser Technik. Investoren beobachten daher mit Argusaugen, ob sich die Technologie im Maßstab bewährt – oder ob sie am Ende ein teures Experiment bleibt.
Rio Tinto selbst hat bereits Erfahrung mit neuen Lithiumverfahren gesammelt – etwa im Jadar-Projekt in Serbien, das jedoch wegen massiver Proteste vorerst gestoppt wurde. Auch in Maricunga sind Umweltverbände und indigene Gemeinschaften wachsam. Das Gebiet liegt in einer sensiblen Ökoregion, die trotz ihrer Trockenheit von vielfältigen Wasser- und Salzökosystemen geprägt ist.
Solide Bilanz, attraktive Dividende – aber kein Selbstläufer
Trotz globaler Unsicherheiten bleibt Rio Tinto einer der robustesten Rohstoffkonzerne der Welt. Der Cashflow ist solide, die Bilanz schuldenarm, die Dividendenrendite attraktiv – zuletzt über 6 Prozent. Die Aktie hat sich von den Jahrestiefs spürbar erholt, ist aber weiterhin unterbewertet, sofern sich die Rohstoffpreise stabilisieren.
Der Lithiumdeal zeigt: Der Konzern denkt langfristig. Und er handelt vorausschauend. Denn wer in den nächsten zehn Jahren im Markt für Energiespeichertechnologie mitreden will, braucht Zugang zu zuverlässigen Quellen – möglichst unabhängig von China.
Doch bis dahin ist es ein weiter Weg: Genehmigungen, Technologie, Umweltprüfung – das alles braucht Zeit. Optimistisch betrachtet könnte Maricunga frühestens ab 2031 nennenswerte Mengen liefern. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit – und mit der Konkurrenz.
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