Ein Rekord, der weh tut
VW, BMW und Mercedes haben im ersten Halbjahr so viele E-Autos verkauft wie nie – doch Euphorie kommt nicht auf. Der Absatz steigt, aber die Gewinne sinken, besonders im lukrativen China-Geschäft reißen tiefe Löcher. Die neue E-Auto-Hackordnung in der deutschen Autoindustrie zeigt: Es wird elektrisch – aber nicht einfacher.
VW legt vor – mit Dienstwagen und Rabatten
Volkswagen ist der große Gewinner der ersten sechs Monate. Die Wolfsburger steigerten ihre weltweiten Elektroverkäufe um fast 47 Prozent. 465.500 E-Autos gingen über die Ladentheke, viele davon in Europa. Doch der Boom hat einen Haken: Nur 23 Prozent der Fahrzeuge gingen an Privatkunden – der Rest an Flotten und Dienstwagen.
Der Grund: steuerliche Vorteile, nicht etwa Begeisterung. In Deutschland gilt seit Juli eine höhere Fördergrenze für elektrische Dienstwagen. Das hilft den Verkaufszahlen – aber nicht dem Image oder der Marge. Denn verkauft wird oft mit hohen Rabatten. Unterm Strich bleibt: viel Bewegung, wenig Gewinn.
Mercedes verliert den Anschluss
Noch vor wenigen Jahren wollte Mercedes „Electric only“. Davon spricht in Stuttgart heute niemand mehr. Der Absatz reiner Elektroautos ist um 14 Prozent eingebrochen, während die Verkäufe von Plug-in-Hybriden auf über 105.000 Fahrzeuge stiegen.
Der Rückzug in die Hybrid-Nische ist ein Signal. Das Experiment, mit Premiumpreisen in einen preissensiblen Markt zu gehen, ist gescheitert. In China läuft der EQS kaum noch, in Europa fehlen Anreize. Mercedes scheint sich aus der ersten Reihe des E-Rennens vorerst verabschiedet zu haben.

BMW fährt solide – aber nicht schnell genug
BMW schlägt sich wacker. Der Konzern steigerte seine E-Verkäufe um 15,7 Prozent auf über 220.000 Fahrzeuge. Bestseller ist der iX1, der sich besonders in Europa gut verkauft. 30 Prozent der Käufer sind Privatkunden – ein ordentlicher Wert im Vergleich zu VW und Mercedes.
Trotzdem bleibt BMW unter dem Marktwachstum. Der Münchener Weg ist bedächtig: Für fast jedes Segment gibt es eine elektrische Option, aber der Verbrenner bleibt präsent. Das hält Optionen offen – kostet aber Tempo.
China: Der Schock sitzt tief
Was sich in Europa noch gut liest, wird in China zum Desaster. Dort sind die E-Auto-Verkäufe der deutschen Hersteller um 42 Prozent eingebrochen. Der gemeinsame Marktanteil liegt nur noch bei 2,8 Prozent – ein Absturz, der nicht nur die Bilanzen belastet, sondern auch das Selbstverständnis der Industrie.
Die Gründe: billige Konkurrenz, technologische Überlegenheit lokaler Marken, neue Steuern auf Luxusfahrzeuge. Mercedes verkauft vom EQS in China im Schnitt 47 Fahrzeuge im Monat – ein Witz für einen Weltkonzern. Der Porsche Taycan verliert fast 70 Prozent seines Volumens.
Porsche: E-Quote mit Makel
Porsche erzielt zwar die höchste Elektroquote unter den deutschen Herstellern – 23,4 Prozent aller Verkäufe im ersten Halbjahr waren elektrisch. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail: Der neue Macan wird in der EU nur noch elektrisch angeboten, weil das Verbrennermodell nicht mehr zulassungsfähig ist.
Ein Zwang, kein Durchbruch. Porsche denkt daher laut über einen neuen Verbrenner in Macan-Größe nach. Kein Vertrauensbeweis in die eigene Elektrostrategie.
Plug-ins feiern Comeback
Während der reine Stromantrieb ins Stottern gerät, kehren die Plug-in-Hybride zurück. Über 395.000 Fahrzeuge wurden im ersten Halbjahr verkauft – ein Wachstum von mehr als 31 Prozent. Sie gelten als margenstark, politisch akzeptiert und technisch überschaubar umzusetzen.
Ein Nebeneffekt: In China sind sogenannte „Range Extender“ im Trend – E-Autos mit kleinen Verbrennern, die als Generatoren dienen. Auch in Deutschland könnten solche Modelle bald verstärkt nachgefragt werden.
Die Hackordnung ist neu sortiert
Volkswagen liegt vorne, Mercedes verliert, BMW bleibt im Mittelfeld. Der E-Auto-Markt zeigt, wie schnell sich Machtverhältnisse verschieben können. Politische Vorgaben und Steueranreize treiben die Verkäufe – nicht unbedingt die Überzeugung der Kunden.
Europa bleibt wichtigster Markt, doch allein wird er nicht reichen, um die Milliardeninvestitionen in Elektromobilität zu rechtfertigen. In China stehen die Zeichen auf Sturm. Die großen Marken müssen sich anpassen – oder sie werden überrollt.
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