Prof. Dr. Udo di Fabio, ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts, hat in einem kürzlich vorgestellten Gutachten erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der europäischen Nachhaltigkeitsvorschriften für Unternehmen geäußert. Das Gutachten wurde im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt, die auf die strukturellen Probleme hinweisen wollte, welche mit den aktuellen Regelungen im Bereich Klimaneutralität, Menschenrechte und Ressourcenverbrauch verbunden sind.
Als ausgewiesener Experte im Staatsrecht kritisiert di Fabio insbesondere die unbestimmten Formulierungen der Vorschriften, die er als potenzielle Bedrohung für die durch die EU-Grundrechte-Charta geschützte unternehmerische Freiheit ansieht. Seiner Analyse zufolge führen unklare Verpflichtungen in Verbindung mit drohenden Sanktionen zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Zudem fehle ein klarer rechtlicher Rahmen, der Unternehmen bei der Einhaltung moralischer Standards unterstützen könnte.
Ein besonderes Augenmerk legt di Fabio auf den deutschen Lieferkettengesetz sowie auf die europäische Lieferketten-Richtlinie. Er beanstandet, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Überprüfung der Menschenrechtssituation bei Zulieferern in der Praxis nur schwer umsetzbar seien. Statt einer Verbesserung sieht er eine Zunahme der Unbestimmtheit, die Unternehmen vor kaum lösbare Herausforderungen stellt.
In einer Reaktion auf diese Kritikpunkte hat die EU-Kommission angekündigt, im Rahmen des sogenannten "Omnibus"-Pakets Vereinfachungen einführen zu wollen. Dabei ist noch unklar, ob diese Maßnahmen einen grundlegenden Kurswechsel darstellen oder lediglich oberflächliche Anpassungen, um das wachsende Unbehagen zu dämpfen. Die Stiftung Familienunternehmen, welche das Gutachten initiiert hat, fordert hingegen einen klaren Kurswechsel und betont, dass die gegenwärtigen Regulierungen oft nicht die intendierten Effekte erzielen.
Die vorgebrachten Bedenken werfen ein Schlaglicht auf die anhaltende Debatte über die Balance zwischen unternehmerischer Freiheit und der Erfüllung globaler Nachhaltigkeitsziele. Der Ausgang der angekündigten Überarbeitungen durch die EU-Kommission dürfte nicht nur juristisch, sondern auch wirtschaftlich von großer Bedeutung sein.