7,6 Millionen Menschen in Minijobs – und viele wollen mehr. Aber sie dürfen nicht, weil es sich finanziell schlicht nicht lohnt. Wer heute nur ein paar Stunden arbeitet, zahlt kaum Abgaben.
Wer seine Arbeitszeit erhöht, verliert oft gleich mehrfach – beim Ehegattensplitting, bei der Krankenversicherung, bei der Rentenberechnung.
Die neue Koalition aus CDU, CSU und SPD will das ändern: Eine steuerliche Förderung soll künftig greifen, wenn Teilzeitkräfte ihre Stundenzahl erhöhen. Ein kleiner Hebel mit großer Wirkung?
Die Prämie, die das Land verändern soll
Auf Seite 27 des Koalitionsvertrags steht es ziemlich unscheinbar. Arbeitgeber, die ihren Teilzeitkräften einen Zuschlag zahlen, wenn diese mehr arbeiten, sollen dafür steuerlich entlastet werden.
Für Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom IAB ist das ein „entscheidender Punkt, wenn man ihn mutig ausgestaltet“. Denn aktuell arbeiten Millionen Menschen freiwillig oder unfreiwillig weniger als sie könnten – und viele davon sind Frauen. Nicht selten verheiratet, mit Kindern, und in einer Steuerklasse gefangen, die sie kleinhält.
Die Ehefrauenfalle hat System
Das Problem ist älter als jede moderne Familienpolitik. Minijobs, beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung, Steuerklasse V: In Kombination bilden sie ein System, das für viele Frauen ökonomisch nachteilig, aber fiskalisch bequem erscheint.

Die Realität: Wer lange in Teilzeit bleibt, hat später kaum Rentenansprüche – und fällt dem Staat dann als Sozialfall zur Last.
Die neue Prämie könnte hier ansetzen. Sie belohnt jene, die ihre Arbeitszeit hochfahren. Doch entscheidend ist: Sie muss deutlich spürbar ausfallen – nicht als Alibi für politische Symbolpolitik, sondern als echter Anreiz.

Ein Markt mit verstecktem Potenzial
Laut IAB arbeiten derzeit 4,1 Millionen Menschen ausschließlich in einem Minijob. Darunter viele, die laut Studien gern mehr arbeiten würden – wenn es sich lohnte. Die Zahl der Minijobs liegt wieder auf dem Vor-Corona-Niveau von 2019, der Bedarf an Arbeitskräften steigt.
Telekom-Chef Tim Höttges bringt es auf den Punkt: „Wir müssen alle wieder mehr arbeiten.“ Die neue Bundesregierung scheint das verstanden zu haben – zumindest teilweise.
Teilzeit als deutsche Normalität
Besonders auffällig ist der EU-Vergleich: Zwei von drei Müttern in Deutschland arbeiten in Teilzeit – doppelt so viele wie im EU-Durchschnitt. Das hat nichts mit Faulheit zu tun, sondern mit fehlenden Strukturen und falschen Anreizen.
Das Ehegattensplitting etwa stammt aus den 1950er Jahren und belohnt das Ein-Verdiener-Modell, obwohl das Land längst andere Arbeitskräfte braucht.
Die neue Prämie könnte zumindest ein Stück weit gegensteuern. Aber sie wird an Grenzen stoßen, solange das alte System weiterläuft.
Politischer Wille oder kosmetische Korrektur?
Die Frage ist nun: Meint es Kanzler Friedrich Merz ernst mit dem Ziel, dass „alle wieder mehr arbeiten“? Oder bleibt es bei einem steuerpolitischen Feigenblatt? Wenn die neue Regierung die Prämie mutig ausgestaltet – mit echten Anreizen, ohne Abzüge durch höhere Steuerlast oder Sozialabgaben – könnte sie tatsächlich Bewegung in den deutschen Teilzeitdschungel bringen.
Doch wenn die Maßnahme zu klein gedacht wird, verpufft ihre Wirkung – und mit ihr eine einmalige Chance, Millionen Frauen ökonomisch unabhängig und den Arbeitsmarkt produktiver zu machen.
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