Karin Rådström, 46, betritt das Parkett mit nordischer Gelassenheit. Was an diesem 8. Juli in Charlotte passieren soll, ist nichts Geringeres als der große Plan zur Wiederbelebung des größten Lkw-Konzerns der Welt.
Ein Plan, der still begann, aber laut enden könnte – vor allem für Beschäftigte in Deutschland. Und einer, der Investoren mit zweistelligen Margen ködern soll, während die realen Zahlen zuletzt eher im Mittelmaß dümpelten.
Die neue Chefin von Daimler Truck hat seit ihrer Ernennung still umgebaut, beobachtet, sondiert. Jetzt spricht sie Klartext. In einer Stadt, die nicht zufällig „Queen City“ heißt.
Sparkommandos, Werksverlagerungen, Milliardenziele
Was Rådström plant, trägt intern den Arbeitstitel „Cost Down Europe“. Es klingt harmlos, bedeutet aber: Bis zu 5.000 Stellen könnten wegfallen, ganze Produktionsbereiche ins Ausland wandern.
Ausgerechnet in Deutschland, dem Mutterland des Lkw, wackeln Werke wie Wörth und Gaggenau. Grund: veraltete Anlagen, ineffiziente Prozesse, und – laut Konzernkreisen – schlicht zu hohe Kosten. Die Zukunft? Busrohbau in Tschechien, Services in der Türkei. Und der Rest? Noch offen.
Margen wie bei Freightliner – aber ohne die USA geht nichts
Das Vorbild sitzt längst im eigenen Haus: In Nordamerika fährt Daimler mit Marken wie Freightliner und Western Star satte Gewinne ein.
Dort erfüllt man die 15-Prozent-Margen, die Aufsichtsratschef Joe Kaeser dem Konzern europaweit verordnet hat. Kein Wunder, dass US-Chef John O’Leary bis 2026 verlängern durfte. In Europa liegt man noch bei mageren 5,4 Prozent.

Genau das soll sich nun ändern. Radikal. Und mit einer neuen Chefsaniererin: Mary Aufdemberg, bislang Produktstrategin in den USA, soll das europäische Truck-Geschäft zusammen mit Achim Puchert umkrempeln – und an die Wettbewerbsfähigkeit des Nordamerika-Geschäfts heranführen.
China? Rückzug. Japan? Fusion. Deutschland? Wackelt
Während Europa also umgebaut wird, zieht sich Daimler Truck aus China zurück. Die Kooperation mit dem Staatskonzern Foton, ohnehin nie ein Erfolgsmodell, steht vor dem Aus. Politisch heikel, wirtschaftlich überfällig.
Denn Foton soll russische Exporte bedienen, was Daimler in den USA teuer zu stehen kommen könnte. Die Konsequenz: Rückzug. Und später vielleicht ein Neubeginn – aber ohne Foton.
Gleichzeitig steht die schon lange verhandelte Fusion mit Toyotas Lkw-Tochter Hino in Japan. Ein Zeichen, dass Daimler Truck auch im Asiengeschäft neu aufstellt – allerdings auf deutlich vorsichtigere Weise.
Der politische Preis: Hoch
Rådströms Umbau ist nicht nur unternehmerisch ambitioniert, sondern politisch brisant. Die angekündigten Sparmaßnahmen betreffen Werke, die tief in der deutschen Industriegeschichte verwurzelt sind – mit teils 10.000 Beschäftigten. Wie viele von ihnen in der neuen Welt von Daimler Truck noch Platz haben, ist offen.
Auch deshalb sind Rådströms Auftritte bislang meist still. Sie lässt verhandeln, beobachtet, dokumentiert. Auf dem Kapitalmarkttag in Charlotte wird sie das erste Mal offen über all das sprechen – über die Fusion, den Rückzug, den Stellenabbau. Und über die Margen.
Ein Plan - Ein Ziel - Ein Risiko
Wenn alles klappt, könnte Daimler Truck in wenigen Jahren ein anderes Unternehmen sein: globaler, effizienter, margenstärker. Doch der Weg dorthin ist riskant. Tausende Jobs, strategische Partnerschaften und die Standortfrage stehen auf dem Spiel. Rådström will nicht nur sanieren – sie will verwandeln.
Aber selbst in der „Queen City“ wird sie erklären müssen, warum dieser Wandel nötig ist. Und wem er am Ende nützt.
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