Friedrich Merz hat die Rentendebatte neu entfacht. In der ARD-Talkshow von Caren Miosga erklärte der Bundeskanzler, Bürgerinnen und Bürger sollten künftig verpflichtend einen Teil ihres Einkommens in eine private Altersvorsorge investieren – zusätzlich zur gesetzlichen Rente. Ziel: das überlastete Umlagesystem entlasten, ohne die Beiträge weiter zu erhöhen.
Der Vorstoß kommt in einer Phase wachsender Sorgen um die Stabilität der Rentenfinanzierung. Merz argumentiert mit Eigenverantwortung und Kapitalbildung – Kritiker dagegen mit sozialer Gerechtigkeit.
Finanzbranche warnt vor Fehlsteuerung
In der Finanzwirtschaft stößt der Plan auf Zustimmung – mit Einschränkungen. Norman Wirth, Vorstand des Finanzdienstleisterverbands AfW, nennt den Ansatz „richtig, wenn er marktwirtschaftlich bleibt“. Eine Pflichtvorsorge dürfe kein verkappter Staatsfonds werden, sondern müsse auf privater Kapitalbasis mit freier Produktwahl beruhen.
Wirth plädiert für einen gestuften Einstieg: zwei Prozent des Einkommens, geteilt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ergänzt durch einen sozialen Ausgleich für Geringverdiener. „Nur mit Wahlfreiheit und Beratung entsteht Akzeptanz“, sagt er.

Altbekannte Idee, neuer Ton
Die Ampelkoalition hatte bereits 2021 mit der sogenannten „Aktienrente“ einen ähnlichen Ansatz verfolgt – ein staatlich verwalteter Fonds mit automatischer Einbeziehung (Opt-out). Das Projekt scheiterte an politischen Differenzen.
Merz geht nun weiter: keine Freiwilligkeit, keine Staatsverwaltung, sondern Pflicht und Privatstruktur.
Zwischen Vertrauen und Zwang
Das größte Risiko des Modells ist psychologischer Natur. Nach Jahren enttäuschender Riester- und Rürup-Erfahrungen ist das Vertrauen in private Vorsorge angekratzt. Ohne klare Regeln, Transparenz und Kostendisziplin droht die Pflichtanlage, als Zwangssparen mit Profitinteressen wahrgenommen zu werden.
Ökonomen sehen die Idee dennoch als notwendig. Deutschland sei eines der wenigen Industrieländer ohne verpflichtende Kapitalrente. „Die Frage ist nicht ob, sondern wie“, sagt ein Branchenexperte.
Mutig – und brandgefährlich
Merz will die Bürger zum Sparen zwingen, um das Rentensystem zu stabilisieren.
Ob das gelingt, hängt weniger von der Idee ab – als von ihrer Umsetzung zwischen Markt, Vertrauen und sozialer Balance.
