Zölle als Geschäftsrisiko
Die Rechnung ist brutal einfach: Wer keine Autos in den USA baut, zahlt drauf. Audi ist derzeit der einzige deutsche Premiumhersteller ohne lokale Fertigung in den Vereinigten Staaten – und das wird immer teurer.
Nach der jüngsten Zolleinigung zwischen der EU und den USA müssen für Fahrzeuge aus Europa 15 Prozent Einfuhrzoll entrichtet werden. Noch schlimmer trifft es den SUV Q5 aus Mexiko, auf den 25 Prozent, möglicherweise bald 30 Prozent, anfallen.
Ein Teil dieser Mehrkosten lässt sich intern auffangen, doch vieles landet direkt beim Kunden – und genau das könnte künftig zum Problem werden. Denn Audi verkauft ein Drittel seiner Q5-Produktion in die USA. Werden die Fahrzeuge dort zu teuer, kippt das Geschäftsmodell.
Werk ja – Lösung nein
Deshalb denkt Audi über ein eigenes Werk in den USA nach. Favorit ist ein sogenanntes „Zwillingswerk“ in Chattanooga, wo Konzernmutter Volkswagen bereits produziert.
Der Standort würde Bauzeit und Kosten drücken, doch eine Entscheidung steht noch aus. Konzernchef Oliver Blume verhandelt direkt mit der US-Regierung über mögliche Investitionsanreize. Laut Insidern könnte jeder in den USA investierte Euro mit Zollnachlässen „verrechnet“ werden.
Doch so logisch die Idee klingt – sie bringt massive Folgeprobleme mit sich. Audi müsste seinen Absatz in den USA drastisch steigern, um die Investition zu rechtfertigen. Von derzeit unter 200.000 Einheiten auf bis zu 400.000 jährlich. Das erscheint ambitioniert. Auch, weil Audi zuletzt weltweit schwächelte: 2024 wurden weniger als 1,7 Millionen Fahrzeuge verkauft – weit entfernt vom einstigen Drei-Millionen-Ziel.

Der Fall Q5 – und das Mexiko-Dilemma
Ein zentrales Problem ist das Werk im mexikanischen San José Chiapa. Dort wird der Q5 produziert – Audis Bestseller auf dem US-Markt. Im ersten Halbjahr 2025 gingen 21.520 Fahrzeuge allein in die USA. Doch genau dieser Absatz ist jetzt in Gefahr.
Verlagert man Teile der Produktion nach Chattanooga, um die Zölle zu umgehen, steht das mexikanische Werk zur Disposition. Eine Schließung aber ist kaum machbar: Die Anlage ist das jüngste Werk im Audi-Portfolio, die Rückstellungen wären doppelt so hoch wie bei der Werksaufgabe in Brüssel (1,2 Milliarden Euro). Ein Kahlschlag ist finanziell nicht tragbar.
Stattdessen wird nun geprüft, ob andere Konzernmarken – etwa Cupra – in Mexiko produzieren könnten. Die spanische Performance-Tochter wird ohnehin nicht in den USA vertrieben, wäre also immun gegen Trumps Zollpolitik. Denkbar wäre auch eine Doppelnutzung: Q5 und Cupra im Wechsel, um das Werk auszulasten. Doch noch ist alles offen.
Ein Werk ohne Finanzierung
Während das Strategiepapier auf Hochtouren läuft, bleibt die Finanzierungsfrage ungelöst. Audi stehen im Fünfjahresplan des VW-Konzerns rund 37 Milliarden Euro zur Verfügung.
Darin enthalten: Investitionen in Elektromobilität, Digitalisierung – aber kein Geld für ein US-Werk.
Das bedeutet: Entweder greift der Konzern tief in die eigene Tasche – oder Audi müsste den Milliardenbau aus dem operativen Cashflow stemmen. Intern rechnet niemand damit, dass das zu stemmen ist, ohne die Gewinnziele zu reißen. Und das, obwohl Audis operative Marge bereits jetzt im Vergleich zur Konkurrenz unter Druck steht.
Döllners Drahtseilakt
Audi-CEO Gernot Döllner steht unter Zugzwang. Im September will er seine neue US-Strategie vorstellen, möglicherweise verbunden mit einer Vertragsverlängerung bis 2028. Seine Mission: Audi im wichtigsten Automarkt der Welt fit machen – ohne die Bilanz zu sprengen.
Döllner steht für einen klaren Strategiewechsel. Unter seinem Vorgänger Markus Duesmann herrschte eine aggressive Wachstumslogik. Döllner will realistischere Ziele: 2,2 bis 2,3 Millionen Fahrzeuge weltweit – anstelle der symbolischen Drei-Millionen-Marke. Doch auch er weiß: Ohne Fortschritt in den USA droht Audi der Anschluss an BMW und Mercedes zu entgleiten.
Politik als Risiko
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Donald Trump. Der US-Präsident ist bekannt für unberechenbare Zollentscheidungen. Schon jetzt deutet er eine Erhöhung der Mexiko-Zölle auf 30 Prozent an.
Gleichzeitig lockt er mit Sonderdeals für Investoren – je größer das Investment, desto niedriger der Zoll. Audi versucht, auf dieser Bühne mitzuspielen. Doch ohne Einfluss, wie ihn VW-Chef Blume besitzt, bleibt der Spielraum gering.
Trump ist kein Freund der Multilateralität – und erst recht keiner der EU. Sollte sich die politische Großwetterlage ändern, etwa durch eine neue Zollrunde oder einen Handelsstreit mit China, könnte das gesamte Investitionsszenario hinfällig werden.
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