Ein Unicorn im Fadenkreuz der Ermittler
Kurz nach Sonnenaufgang greifen die Ermittler zu. Spanische Behörden verhaften Mirko Hüllemann, Gründer des deutschen Bezahlunternehmens Unzer, in seinem Aufenthaltsort. Zeitgleich nehmen Luxemburger Beamte seinen langjährigen Geschäftspartner Ruben Weigand fest.
Es ist der bisherige Höhepunkt eines Ermittlungsverfahrens, das sich wie ein Drehbuch für einen Wirtschaftskrimi liest: Betrug, Geldwäsche, Fake-Webseiten, internationale Ermittlerteams.
Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz führt das Verfahren. Unterstützt wird sie vom Bundeskriminalamt, der Finanzaufsicht BaFin und der Antigeldwäsche-Spezialeinheit FIU.
Die Behörden sprechen von „mehreren Festnahmen“ und Durchsuchungen in Spanien, Luxemburg, Singapur, Deutschland und den USA. Ermittler schätzen den Schaden auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag.
Ein Bezahlsystem als Einfallstor für Betrüger
Hüllemanns Unternehmen – früher Heidelpay, später Unzer – sollte einst das deutsche Gegenmodell zu Paypal werden. Ein milliardenschweres Versprechen, 2019 verkauft an den US-Finanzinvestor KKR und damit über Nacht zum Unicorn. Unzer wickelte Zahlungen für tausende Händler ab – und wurde damit zum technischen Tor zum Finanzsystem.
Genau dieses Tor sollen Betrüger genutzt haben. Nach Informationen aus Ermittlerkreisen sollen dubiose Betreiber von Fake-Webseiten über Unzer unerlaubt Kreditkarten abbuchen können. Kreditkartennummer eingeben, Kauf bestätigen – und das Geld war weg. Verbraucherschützer registrierten Beschwerden aus vielen Ländern Europas.
Die Vorwürfe wiegen schwer: Hüllemann und Weigand sollen das System ermöglicht oder toleriert haben.
Ein Geschäftspartner mit Vorstrafen – und viel Einfluss
Weigand, der nun ebenfalls festgenommen wurde, ist kein unbeschriebenes Blatt. 2020 verurteilte ein US-Gericht ihn zu 15 Monaten Haft wegen Bankbetrugs. Der Vorwurf: Er habe Zahlungen für Cannabisgeschäfte über Briefkastenfirmen und Schein-Webseiten verschleiert.
Brisant: Hüllemann hinterlegte damals persönlich 800.000 Dollar als Kaution und bezeichnete Weigand vor Gericht als „Teil seiner Familie“.
In einem der Gerichtsdokumente wird deutlich, wie eng beide verbunden waren. Doch als die WirtschaftsWoche 2021 genauer über die Verbindungen berichtete und die BaFin daraufhin eine Sonderprüfung einleitete, distanzierte sich Unzer öffentlich.
Ergebnis: Geldstrafe für Unzer.
Partnerfirmen ziehen Reißleine – aber offenbar nicht schnell genug
Unzer war nicht der einzige Zahlungsdienstleister, der mit Weigand zusammenarbeitete. Auch Concardis und später Payone (Sparkassen-Beteiligung) sollen sich Kunden von ihm vermitteln lassen haben. Interne Prüfungen sollen danach ergeben haben, dass es bei einigen dieser Händler Auffälligkeiten gab.
Weigand beteuert, er habe „keine Hinweise auf systematisch kriminelle Transaktionen“ gesehen.
Die Ermittlungen sind erst der Anfang
Noch ist unklar, ob Hüllemann und Weigand in Untersuchungshaft bleiben. Möglich wäre auch eine Freilassung gegen Kaution. Fest steht: Die Behörden sind in diesem Fall ungewöhnlich entschlossen – und international vernetzt. Das deutet auf Dimension und Tragweite hin.
Und für den deutschen Fintech-Sektor hat der Fall eine zweite Ebene: Er zeigt, wie schnell aus dem Traum vom Unicorn ein Compliance-Albtraum werden kann.
Wenn der eigene Geschäftspartner plötzlich selbst zum Risiko wird.

