Ein geplatzter Traum – und ein teurer
Jetzt ist es offiziell: Intel wird in Magdeburg keine Chipfabriken bauen. Auch nicht später, auch nicht in kleinerem Umfang. Die Entscheidung kommt nicht überraschend – aber sie markiert das vorläufige Ende eines industriepolitischen Megaprojekts, das ohnehin nie so solide war, wie es schien.
Die Milliarden-Subventionen, die der Bund in Aussicht gestellt hatte, waren enorm. Die Erfolgschancen: überschaubar.
Intel-CEO Lip-Bu Tan machte seinen Standpunkt am Donnerstag unmissverständlich klar: "Blankoschecks gibt es nicht mehr." Jedes Investment müsse sich rechnen. Die angekündigten 24.000 Stellenstreichungen weltweit zeigen: Der Konzern kämpft ums Überleben – da passt Magdeburg nicht mehr ins Bild.
Der Konzern steht selbst auf der Kippe
Intel hat ein Problem – und das hat wenig mit Deutschland zu tun. Der Konzern hat den KI-Zug verpasst. Im Zukunftsmarkt für sogenannte „Accelerator-Chips“, also Spezialprozessoren für KI-Rechenzentren, spielen aktuell Nvidia und AMD. Intel hingegen hat nichts Überzeugendes vorzuweisen.
Und das nach dem größten Jahresverlust der Firmengeschichte: 18,8 Milliarden Dollar im Jahr 2024. Allein im letzten Quartal lag der Fehlbetrag bei 2,9 Milliarden.
Schon beim Einstieg in den Smartphone-Markt war Intel gescheitert. Doch diesmal droht mehr als nur eine verpasste Chance – es geht ans Fundament: das Geschäft mit klassischen CPUs, das bislang das Rückgrat der Firma bildete. Selbst dort sinkt die Relevanz, weil moderne Rechenzentren immer stärker auf spezialisierte Chips setzen.

Magdeburg als Symptom – nicht als Ursache
Dass Intel ausgerechnet in Europa die Reißleine zieht, hat strategische Gründe. Die Fabriken in Magdeburg und Polen sollten Teil einer „Foundry Offensive“ werden: Intel wollte erstmals auch Chips im Auftrag anderer Unternehmen fertigen – ähnlich wie TSMC oder Samsung. Doch der Konzern hinkt technologisch hinterher. Ob Intel mit seinen Produktionsprozessen überhaupt konkurrenzfähig ist, ist offen.
Gleichzeitig verschlingen neue Werke Milliardenbeträge, lange bevor ein einziger Chip verkauft wird. In Zeiten hoher Verluste ist das kaum zu rechtfertigen. Magdeburg war eine Vision aus besseren Tagen – und fiel nun dem Rotstift zum Opfer.
Ein geplatzter Plan – vielleicht zum richtigen Zeitpunkt
Für Deutschland ist das Aus bitter – aber nicht zwangsläufig eine Katastrophe. Die Ansiedlung hätte laut Bundesrechnungshof fast zehn Milliarden Euro gekostet. Jeder einzelne Arbeitsplatz wäre mit rund 3,3 Millionen Euro bezuschusst worden – eine Zahl, die in keiner volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung gut aussieht. Vor allem nicht bei einem Konzern, dessen Überleben selbst ungewiss ist.
Die erhofften Effekte – Technologietransfer, Resilienz in Krisenzeiten, strategische Autonomie – bleiben vage. Denn selbst wenn die Fabriken gebaut worden wären: Die Chips wären international verkauft worden. Für den deutschen Markt war keine gesicherte Versorgung vorgesehen.
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Der geopolitische Mythos bröckelt
Die Bundesregierung hatte das Intel-Projekt auch mit geopolitischen Argumenten gerechtfertigt: Europa müsse unabhängiger werden von China und Taiwan, insbesondere in Schlüsseltechnologien wie der Halbleiterproduktion. Das ist ein legitimes Ziel – doch Intel war nie die Antwort auf diese Frage.
Die Produktion in Magdeburg hätte nicht auf kritische Infrastruktur, sondern auf den Weltmarkt gezielt. Und anders als etwa TSMC in Dresden hätte Intel modernste Technologie erst in einem späteren Ausbauschritt in Aussicht gestellt. Ob es je so weit gekommen wäre, bleibt Spekulation.
Subventionen als industriepolitisches Glücksspiel
Das Projekt war ein Paradebeispiel für eine Industriepolitik, die in Größenordnung denkt – aber nicht immer in Wirkung. Der Staat sollte Milliarden bereitstellen, ohne dass das Unternehmen jemals garantieren musste, wie viele Stellen entstehen, welche Chips produziert werden oder wie lange die Werke betrieben würden. In einer Branche, die so zyklisch und kapitalintensiv ist wie kaum eine andere.
TSMCs Werk in Dresden – mit fünf Milliarden Euro ebenfalls hochsubventioniert – wirkt im Vergleich bodenständiger: Dort werden bewährte Technologien für die Auto- und Maschinenbauindustrie gefertigt. Keine Vision vom High-End-KI-Chip, sondern solide industrielle Anwendung.
Zeit für eine neue Halbleiterstrategie
Der Rückzug Intels eröffnet der Bundesregierung eine Chance – wenn sie sie erkennt. Statt auf ausländische Konzerne zu setzen, die sich in Europa nur gegen hohe Zuschüsse ansiedeln, sollte sie stärker heimische Entwickler fördern. Es fehlt nicht an Talenten, sondern oft an Kapital und Skalierung.
Ein gezielter Aufbau nationaler Kompetenz – sei es im Design von KI-Chips, im Bereich Quantencomputing oder bei der Halbleiterforschung – wäre nachhaltiger als jede Gigafactory auf der grünen Wiese.
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