15. Oktober, 2025

Automobile

BYD startet Großoffensive in Brasilien – Chinas E-Auto-Riese sucht sein zweites Standbein

Der chinesische E-Autobauer BYD eröffnet seine größte Fabrik außerhalb Chinas – ausgerechnet im einstigen Ford-Werk von Camacari. Hinter dem symbolträchtigen Schritt steckt eine klare Strategie: weniger Preiskrieg, mehr Unabhängigkeit.

BYD startet Großoffensive in Brasilien – Chinas E-Auto-Riese sucht sein zweites Standbein
Marktführer in Brasilien: Acht von zehn verkauften Elektroautos in Brasilien tragen bereits das BYD-Logo – ein Beleg für Chinas wachsende Dominanz in Lateinamerika.

Ein Werk als Statement: BYD, Chinas führender Elektroautobauer, hat in Brasilien offiziell seine größte Produktionsstätte außerhalb des Heimatmarktes in Betrieb genommen.

In Camacari, im Bundesstaat Bahia, läuft nun die Megafactory an – auf demselben Gelände, auf dem Ford vor drei Jahren das Licht ausmachte. Die Investition: rund 980 Millionen US-Dollar. Die Botschaft: BYD will mehr als Autos verkaufen. Es will die E-Mobilität in Lateinamerika neu definieren – und zugleich seine globale Machtbasis erweitern.

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Vom Ford-Werk zum Symbol einer neuen Industrieordnung

Dass BYD ausgerechnet ein ehemaliges Ford-Werk übernimmt, ist kein Zufall. Während westliche Autokonzerne ihre Präsenz in Schwellenländern zurückfahren, geht Chinas Vorreiter in die entgegengesetzte Richtung. Mit einer geplanten Jahreskapazität von bis zu 600.000 Fahrzeugen soll Camacari der Knotenpunkt einer neuen lateinamerikanischen Lieferkette werden.

In der ersten Ausbaustufe sind 150.000 Einheiten jährlich vorgesehen, später 300.000, bis hin zur Vollauslastung. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sprach bei der Eröffnung von einer „Wiedergeburt der industriellen Würde Bahias“. Für ein Land, das Jahrzehnte lang unter Deindustrialisierung litt, ist der Schritt mehr als symbolisch – es ist eine Rückkehr auf die Landkarte der globalen Automobilproduktion.

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Strategiewechsel mit Kalkül

Hinter der Expansion steckt eine nüchterne Rechnung. Der chinesische Heimatmarkt ist gesättigt, der Preiskrieg zwischen BYD, Tesla und dutzenden Start-ups frisst Margen und Kapital. In Brasilien dagegen sind die Marktanteile enorm: Acht von zehn verkauften E-Autos stammen bereits von BYD, ebenso drei von zehn Hybriden.

Das neue Werk soll nicht nur für Brasilien, sondern für den gesamten lateinamerikanischen Markt produzieren. In Ländern wie Chile, Kolumbien und Mexiko wächst die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zweistellig. Zudem bietet Brasilien günstige Energiepreise durch Wasserkraft, eine Förderpolitik für grüne Industrie – und eine Regierung, die sich nach westlichen Rückzügen offen für chinesische Investitionen zeigt.

BYD übernimmt ehemaliges Ford-Werk: Mit fast einer Milliarde Dollar Investitionssumme baut Chinas E-Auto-Gigant in Camacari seine größte Fabrik außerhalb Asiens – und besetzt ein Symbol westlichen Rückzugs.

Forschung statt Montage

BYD plant, in Brasilien nicht nur zu montieren, sondern zu entwickeln. Rund 12 Millionen Dollar fließen in Forschung und Entwicklung – insbesondere in Flex-Hybridtechnologien, die an lokale Kraftstoffe angepasst sind, sowie in Solarlösungen und Batterierecycling. Damit positioniert sich der Konzern als Partner der brasilianischen Energiewende und stärkt zugleich die eigene Lieferkette.

Ein weiteres Ziel: BYD will regionale Zulieferer aufbauen, um Importabhängigkeiten zu reduzieren. Das stärkt den Einfluss des Unternehmens langfristig – und schwächt zugleich die Dominanz westlicher Zuliefererstrukturen.

Unabhängigkeit vom Preiskrieg

Während BYD in China um Marktanteile kämpft, soll Brasilien Stabilität in den Bilanzen schaffen. Das Land bietet wachsende Mittelschichten, eine junge Bevölkerung und einen Strommix, der Elektromobilität glaubwürdig macht. Zudem kann BYD in Lateinamerika höhere Margen erzielen als im Heimatmarkt – ein strategischer Befreiungsschlag.

Die Expansion nach Brasilien ist auch eine Reaktion auf den gescheiterten Mexiko-Plan: Ursprünglich wollte BYD dort eine Fertigung für den US-Markt aufbauen, doch politischer Widerstand und US-Handelsbarrieren machten das Projekt unmöglich. Brasilien ist nun der neue Brückenkopf – für den Süden statt den Norden.

Chinas E-Auto-Strategie im globalen Maßstab

BYDs Schritt ist Teil einer größeren Bewegung: Chinesische Autohersteller verlagern zunehmend ihre Expansion nach Süden, wo weniger Regulierungsdruck herrscht und Marktpotenziale noch unerschlossen sind. Neben Brasilien baut BYD Werke in Thailand, Ungarn und Usbekistan. Ziel ist ein globales Netzwerk, das politische Risiken streut und lokale Wertschöpfung schafft.

Gleichzeitig testet China damit ein neues industriepolitisches Modell: Produktion gegen Einfluss. Während westliche Hersteller sich zurückziehen, entstehen in Schwellenländern industrielle Allianzen, die langfristig geopolitische Bedeutung haben könnten.

Lula und Wang – zwei Männer, ein Kalkül

Politisch ist das Werk ein Coup – für beide Seiten. Lula da Silva kann die Eröffnung als Beweis für seinen „grünen Industriekurs“ verkaufen, während BYD Gründer Wang Chuanfu einen politisch stabilen, rohstoffreichen Standort gewinnt. Beide eint ein Ziel: Brasilien zur grünen Werkbank des globalen Südens zu machen.

Doch die Euphorie hat Grenzen. Die brasilianische Industrie leidet unter Fachkräftemangel, Bürokratie und Infrastrukturproblemen. Zudem könnte die starke Rolle Chinas neue Abhängigkeiten schaffen. Denn wer Milliarden investiert, wird Einfluss nehmen wollen – auf Lieferketten, Arbeitsstandards und Technologiezugang.

Fazit: Mehr als ein Werk

BYDs Fabrik in Camacari ist mehr als ein Produktionsstandort. Sie ist ein politisches Signal – und ein wirtschaftliches Experiment. Wenn der Plan aufgeht, entsteht in Bahia nicht nur ein neues Industriezentrum, sondern ein Modell dafür, wie China seine industrielle Dominanz exportiert.

Für westliche Hersteller ist das ein Weckruf: Der globale Süden ist kein Absatzmarkt mehr – er wird zum Produktionszentrum der neuen Autoära.