17. Mai, 2025

Unternehmen

Ford in Köln: Ein Werk zwischen Hoffnung und Exitstrategie

1600 Stellen in Gefahr, kaum Modelle in Sicht: Das Ford-Werk in Köln gerät ins Wanken.

Ford in Köln: Ein Werk zwischen Hoffnung und Exitstrategie
Ohne neuen Modellplan: Im Kölner Ford-Werk fehlt eine klare Perspektive – der Absatz der E-Modelle Explorer und Capri bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück.

Am Mittwochmorgen schiebt sich eine ungewohnte Szene vor die Tore des Ford-Werks in Köln-Niehl: Streikposten der IG Metall. Keine Warnstreiks, kein symbolisches Hupen – echte Arbeitsniederlegung.

In der fast hundertjährigen Geschichte des Standorts ist das ein Novum. Und ein deutliches Zeichen: Die Angst vor dem Stillstand ist real.

Rote Knöpfe und schwarze Zahlen

Was die Lage zuspitzt, ist weniger ein plötzlicher Schock als eine Serie strategischer Entscheidungen der US-Mutter. Im März strich Ford die sogenannte Patronatserklärung für seine deutsche Tochtergesellschaft.

Bis dahin hatte die Ford Motor Company für alle Schulden der Ford-Werke GmbH gebürt. Die Absicherung fiel. Das Signal für viele: Die Konzernleitung hat den Finger an den "roten Knopf" gelegt – eine Formulierung, die Betriebsratschef Benjamin Gruschka wählt. Der Betriebsrat fordert nun ein Insolvenzschutznetz.

Der Finanzbedarf ist gewaltig: 2023 verbuchte die deutsche Tochter einen Fehlbetrag von neun Milliarden Euro. Zwar stellt der US-Konzern Kapital bereit, bis zu 4,4 Milliarden Euro einmalig, dazu jährlich hunderte Millionen für die nächsten vier Jahre. Aber reicht das, wenn keine neuen Modelle nachkommen?

Ford kündigte die Garantie dennoch – mit Verweis auf frisches Kapital. Die Gewerkschaft spricht von einem möglichen „kalten Ausstieg“ aus Europa.

Produktionslücken und Personalabbau

Köln produziert derzeit zwei Modelle: den elektrischen Explorer und den Capri. Beide laufen auf der MEB-Plattform von Volkswagen, die Ford nur in geringer Stückzahl abnimmt.

Die Verkaufszahlen bleiben weit hinter den Erwartungen. Die Plattformabnahme, einst auf 1,2 Millionen Einheiten angelegt, dürfte bei wenigen hunderttausend enden.

Ein Problem: 60 Prozent der Wertschöpfung dieser Fahrzeuge stammen nicht von Ford selbst. Kosteneinsparungen sind so kaum möglich. Die geplante Eigenentwicklung einer Elektroplattform wurde eingestampft. Stattdessen soll eine Multi-Energy-Plattform kommen – mit offenem Zeitplan.

Schichtbetrieb vor dem Aus?

Aktuell produziert das Werk in zwei Schichten. Doch laut Betriebsrat reicht eine, um die Nachfrage zu bedienen. Etwa 1000 Arbeitsplätze könnten so entfallen. Hinzu kommen rund 600 Stellen im Entwicklungszentrum in Merkenich, das ohne neue Modellaufträge ebenfalls in eine ungewisse Zukunft blickt. In Summe stehen 1600 Jobs auf dem Spiel.

Unsicherheit als Strategie?

Ford Deutschland steckt mitten im Restrukturierungsprogramm "Ford Future". Der erste Teil: der Abbau von 2300 Stellen bis Ende 2025 – 350 davon stehen noch aus.

Der zweite Teil: weitere 2900 Jobs in Deutschland bis 2027, davon 600 in Köln. Trotz Beschäftigungssicherung bis 2032 – eine Sicherheitsgarantie ist das angesichts der Dynamik kaum.

Hinzu kommt die Perspektivlosigkeit: Keine Modelle für Köln, keine für Valencia, wo der Ford Kuga gebaut wird. Ein Insider bringt es auf den Punkt: "Die Pkw-Planung ist leer."

Ein Werk in Wartestellung

Die Ford-Werke GmbH steht sinnbildlich für das Dilemma einer Industrie, die zwischen alter Verbrenner-Logik und neuer Elektro-Unsicherheit taumelt. Ohne klare Modellstrategie und mit massiven Abhängigkeiten von externen Plattformen scheint das Kölner Werk mehr Abwicklung als Aufbruch zu erleben.

Ob Ford Europa eine Zukunft hat, entscheidet sich nicht allein in Detroit oder Brüssel – sondern auf dem Werkshof in Köln, zwischen IG Metall, Betriebsrat und einer US-Zentrale, die ihr europäisches Engagement auf dem Rechenschieber justiert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Reiche stellt sich gegen Habecks Wirtschaftskurs
Energie, Standort, Strompreise: Auf dem Wirtschaftstag des CDU-Wirtschaftsrats distanziert sich Katherina Reiche scharf von der Politik ihres Vorgängers. Ihre Botschaft: Deutschland braucht keine Ideologie, sondern Industrie.