OpenAI hat es geschafft, was bislang nur Tech-Giganten an der Börse gelang: eine Bewertung von einer halben Billion US-Dollar. Laut Berichten aus Investorenkreisen wechselten zuletzt Mitarbeiteranteile bei einem internen Verkauf zu einer Bewertung von 500 Milliarden Dollar, rund 200 Milliarden mehr als noch im Frühjahr. Damit ist das KI-Unternehmen um Gründer und CEO Sam Altman nun offiziell das wertvollste nicht börsennotierte Unternehmen der Welt – noch vor Elon Musks SpaceX.
Der Sprung ist nicht bloß ein Zahlenspiel, sondern Ausdruck einer neuen Phase des KI-Rauschs, der in Silicon Valley längst in eine Art Goldgräber-Euphorie übergegangen ist.
Vom Forschungsprojekt zur Weltmacht
OpenAI war einst eine Forschungsinitiative, gegründet mit dem Ziel, Künstliche Intelligenz zum Wohl der Menschheit zu entwickeln. Heute ist sie das Zentrum einer milliardenschweren Industrie, deren Werkzeuge – vom Textroboter ChatGPT bis zu DALL·E oder Sora – Wirtschaft, Bildung und Medienlandschaften verändern.

Was ursprünglich als Non-Profit begann, wurde über die Jahre zu einem hochkommerziellen Hybridmodell: Die gewinnorientierte Tochter OpenAI LP erlaubt es, Investoren wie Microsoft oder Thrive Capital zu beteiligen, während die Muttergesellschaft formal gemeinnützig bleibt. In der Praxis fließen Milliarden – und die Bewertungen steigen schneller, als die Regulierung hinterherkommt.
Der teuerste Wetteinsatz der Tech-Geschichte
Eine Bewertung von 500 Milliarden Dollar ist selbst im Silicon Valley spektakulär. Zum Vergleich: Meta wurde beim Börsengang 2012 mit rund 100 Milliarden bewertet, Google im Jahr 2004 mit weniger als 30 Milliarden. Selbst SpaceX, das als zweitwertvollstes Privatunternehmen gilt, liegt mit rund 350 Milliarden weit darunter.
Doch anders als bei Raketen, Cloud oder Social Media verkauft OpenAI keine physischen Produkte. Das Unternehmen verdient bislang primär mit Abonnements seiner KI-Dienste, Lizenzverträgen mit Unternehmen – und Cloud-Integration über Microsoft Azure. Analysten schätzen den Jahresumsatz aktuell auf rund 6 bis 8 Milliarden Dollar. Eine Bewertung von 500 Milliarden impliziert also ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von über 60 – ein Wert, der in klassischen Märkten als absolut irrational gelten würde.
Das zeigt: Diese Bewertung ist keine Bilanzgröße, sondern ein Bekenntnis der Investoren zur Zukunft der KI-Wirtschaft.

Microsofts stiller Gewinn
Der größte Profiteur dieser Entwicklung sitzt in Redmond. Microsoft hält rund 49 Prozent an OpenAI LP und nutzt deren Technologie in Office, Windows und Azure. Für den Softwarekonzern ist die Partnerschaft ein strategischer Doppelschlag: Er kontrolliert den größten Rechenzugang für KI-Anwendungen – und profitiert direkt vom Wertzuwachs seines Partners.
Internen Schätzungen zufolge hat sich der Buchwert von Microsofts OpenAI-Beteiligung mehr als verdoppelt. Gleichzeitig verschiebt sich das Machtgleichgewicht im KI-Markt: Statt Google oder Meta gilt heute OpenAI als Taktgeber der Branche.

Der Markt der Nachahmer
Mit der Bewertung steigt auch der Druck auf Wettbewerber. Anthropic (Claudia und Dario Amodei), Cohere, Mistral, xAI von Elon Musk – sie alle kämpfen um Daten, Modelle, Chips und Aufmerksamkeit. In China konkurrieren Alibaba und Baidu mit massiven Staatsmitteln.
Doch keiner verfügt über das Markenmomentum von OpenAI. ChatGPT ist längst ein Synonym geworden – für Fortschritt, Macht und auch Angst. Für Entwickler bedeutet das: OpenAI besitzt das Ökosystem-Vorteil, das Google einst durch die Suche hatte.
Risiken: Kosten, Kontrolle, Regulierung
So beeindruckend die Bewertung klingt, so fragil ist ihre Basis. KI-Modelle verschlingen enorme Ressourcen – sowohl an Energie als auch an Daten. Jede Anfrage an ChatGPT kostet laut Brancheninsidern mehr als das Zehnfache einer klassischen Suchanfrage bei Google.
Auch politisch wächst der Druck. In Brüssel und Washington laufen Untersuchungen zur Abhängigkeit der KI-Märkte von wenigen Anbietern – vor allem Microsoft und OpenAI. Regulierer sehen eine neue Monopolstruktur entstehen, diesmal nicht bei der Suche, sondern bei der „Antwort“.
Ein halbes Billionen-Dollar-Versprechen
Dass OpenAI diesen Wert erreicht, zeigt, wie sehr sich Kapitalmärkte auf die nächste technologische Revolution eingeschossen haben. Doch ob diese Bewertung tragfähig ist, hängt nicht nur vom Fortschritt der Modelle ab – sondern davon, ob die Welt bereit ist, einer einzigen Firma die Deutungshoheit über Wissen, Sprache und Entscheidungssysteme zu überlassen.
Sam Altman nennt das Ziel, „AGI für die Menschheit nutzbar zu machen“. Doch was „nutzbar“ heißt, entscheiden längst nicht mehr Forscher – sondern Kapitalströme.
Wenn OpenAI tatsächlich das erste halbe Billionen-Dollar-Startup der Welt bleibt, dann ist das nicht nur eine Erfolgsgeschichte. Es ist auch eine Warnung: Die Zukunft der Intelligenz wird nicht erforscht – sie wird bewertet.
