28. August, 2025

Unternehmen

Opel – wenn aus Tradition Irrelevanz wird

Der einstige VW-Rivale steckt tief in der Krise. Händler wenden sich ab, Werke laufen auf Sparflamme, und selbst die Mutter Stellantis scheint kaum noch an eine Zukunft der Marke zu glauben. Ein Opel-Händler aus Hessen berichtet, warum er nach Jahrzehnten aufgeben will.

Opel – wenn aus Tradition Irrelevanz wird
Marktanteil im Keller: Opel kam im ersten Halbjahr 2025 in Europa nur noch auf drei Prozent – Platz 13 hinter Kia und Dacia.

„Ich verkaufe seit 35 Jahren Opel. Aber so kann es nicht weitergehen.“ Es ist ein kühler Satz, nüchtern ausgesprochen von einem Händler aus Mittelhessen, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Noch hält er an seinem Betrieb fest, doch die Zahlen sind ernüchternd: zu wenige Kunden, zu viele Rabatte, zu geringe Margen. „Früher hat man Opel gefahren, weil es ein deutsches Auto war. Heute kommen die Leute ins Autohaus, schauen sich um und sagen: Opel? Gibt’s die überhaupt noch?“

Vom Hoffnungsträger zum Sorgenkind

Die Traditionsmarke, die sich jahrzehntelang mit Volkswagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Krone des deutschen Automarkts lieferte, verkauft heute nur noch einen Bruchteil früherer Stückzahlen.

2024 waren es weltweit gut 600.000 Fahrzeuge – so viele, wie Opel in den Neunzigerjahren allein auf dem Heimatmarkt absetzte. In Europa ist der Marktanteil auf drei Prozent gesunken, Rang 13. Dacia, einst Billigmarke, liegt inzwischen klar vor Opel.

Die Werke in Rüsselsheim und Eisenach produzieren nur noch rund 180.000 Autos im Jahr – zusammen. Eisenach, ausgelegt auf 200.000 Fahrzeuge, fertigte zuletzt gerade einmal 60.000 Grandland-Modelle. Rüsselsheim fährt in nur einer Schicht, der Astra und der Citroën DS4 laufen dort in bescheidenen Stückzahlen vom Band.

Forschungsstandort geschwächt: Mit dem Aus der Brennstoffzellenentwicklung verloren 130 Ingenieure in Rüsselsheim ihr Aufgabenfeld.

Händlerflucht

Auch die Händlerbasis erodiert. Waren es 2021 noch rund 1.000 Autohäuser in Deutschland, sind es heute nur noch etwa 600. In einer internen Befragung erklärten 40 Prozent der verbliebenen Vertragspartner, sie erwögen aus wirtschaftlichen Gründen, in den kommenden Jahren weitere Standorte zu schließen. „Es ist kein Vertrauen mehr da“, sagt der hessische Händler.

Ersatzteile kämen zu spät, Ansprechpartner wechselten ständig, die Preise seien kaum noch vermittelbar.

Im Markenmonitor des Instituts für Automobilwirtschaft, in dem Händler regelmäßig die Zusammenarbeit mit den Herstellern bewerten, belegte Opel in den vergangenen drei Jahren stets den letzten oder vorletzten Platz.

Fehlende Perspektiven

Zwar bemüht sich Opel-Chef Florian Huettl, die Stimmung zu drehen. Im Mai bat er Händler in die Werkshallen nach Rüsselsheim, gestand Fehler ein und versprach bessere Teileversorgung.

Doch die Probleme sind strukturell. Stellantis, der Konzern, zu dem Opel seit 2017 gehört, setzt auf Synergie und Kostensenkung. Ganze Modellreihen wie Cascada, Adam oder Insignia sind gestrichen, übrig bleiben fünf Pkw-Baureihen – alles Konzernableger.

Die Entwicklung eigener Technologien ist kaum mehr vorgesehen. Zuletzt traf es ausgerechnet die traditionsreiche Brennstoffzellen-Forschung in Rüsselsheim. 130 Ingenieure verloren ihren Aufgabenbereich, viele waren seit Jahren auf Wasserstoff spezialisiert.

Ein langjähriger Entwickler spricht von einem „Schlag ins Gesicht“: „Wir waren stolz darauf, hier an etwas Zukunftsweisendem zu arbeiten. Jetzt sollen wir uns ums Fahrwerk kümmern.“
Leere Hallen in Rüsselsheim: 2024 liefen hier nur noch rund 120.000 Fahrzeuge vom Band – ein Bruchteil früherer Produktionszahlen.

Ein Konzern ohne Geduld

Die Stellantis-Führung, bis Ende 2024 unter dem Sanierer Carlos Tavares, setzte vor allem auf Preise. Opel-Modelle wurden teils teurer angeboten als vergleichbare VW-Fahrzeuge – ein Fehler, wie sich zeigte.

Händler blieben auf überteuerter Ware sitzen, der Absatz stockte, Restwerte sanken. Inzwischen gibt Opel wieder hohe Rabatte. Den Grandland gibt es im Leasing schon ab 120 Euro im Monat – ein Angebot, das kurzfristig Stückzahlen sichert, aber langfristig die Marke weiter entwertet.

Rüsselsheim unter Druck

Auch die Stadt spürt die Krise. Rüsselsheim, einst eine Opel-Stadt mit mehr als 30.000 Beschäftigten im Werk, zählt heute noch rund 7.650 Opel-Mitarbeiter. Oberbürgermeister Patrick Burghardt musste jüngst ein Haushaltsdefizit von 95 Millionen Euro verkünden, 60 Millionen davon resultierten aus einer Gewerbesteuerrückzahlung – an Opel.

Für die Kommunalfinanzen ist das ein Desaster, für die Bevölkerung ein weiteres Signal des Niedergangs.

„Rüsselsheim war Opel, Opel war Rüsselsheim“, sagt ein ehemaliger Werksarbeiter, der 2014 mit Schließung des Bochumer Werks dorthin versetzt wurde. „Jetzt fühlt es sich an, als würden beide langsam verschwinden.“

Traditionsmarke am Scheideweg

Andere Automarken sind bereits verschwunden: Saab, Rover – Namen, die heute nur noch auf Oldtimer-Treffen zu sehen sind. Dass Opel ein ähnliches Schicksal droht, scheint inzwischen nicht mehr ausgeschlossen. Autoexperte Arthur Kipferler von der Beratung Berylls warnt: „Wenn die Verkaufszahlen weiter so niedrig bleiben, lohnt sich eine eigenständige Investition in die Marke kaum noch.“

Stellantis-Chef Antonio Filosa, der seit Jahresbeginn die Geschäfte führt, hat Opel jüngst besucht und die „harte Arbeit“ der Belegschaft gelobt. Konkrete Zusagen für neue Modelle oder Investitionen machte er nicht.

Und der Händler aus Hessen? Er überlegt, die Schilder mit dem Blitz abzuschrauben. „Es war meine Marke. Aber jetzt schaue ich mir um, was bleibt.“

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