26. Juli, 2025

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Öl-Schock an der Ostsee - Polen plant Mega-Förderung vor Usedom

Als Polen den größten Öl- und Gasfund seit Jahrzehnten verkündet, gerät das Idyll vor Usedom ins Wanken – und Deutschland wurde offenbar nicht einmal gefragt. Ein geopolitischer Konflikt mit Umweltsprengkraft.

Öl-Schock an der Ostsee - Polen plant Mega-Förderung vor Usedom
Die Plattform vor Swinemünde markiert den größten Öl- und Gasfund in Polen seit dem Zweiten Weltkrieg – doch Deutschland wurde über die Erkundung nicht einmal informiert.

Ein Schatz in Sichtweite – aber nur für Polen

Die Aussicht auf bis zu 200 Millionen Barrel förderbares Öl und Gas direkt vor der deutsch-polnischen Grenze lässt Warschau jubeln – und Schwerin schäumen.

Denn während das kanadische Unternehmen Central European Petroleum (CEP) bereits Probebohrungen in der Ostsee durchgeführt hat, will davon auf deutscher Seite niemand offiziell etwas gewusst haben.

Umweltminister Till Backhaus (SPD) spricht von einem „klaren Bruch internationaler Vereinbarungen“ und wirft der polnischen Seite vor, das Nachbarland übergangen zu haben.

Ein industriepolitischer Rückfall

Die Wortwahl ist ungewöhnlich scharf: Die geplante Förderung stehe für „eine klimapolitisch rückwärtsgewandte Industriepolitik“, so Backhaus. Damit ist nicht nur die Frage des Naturschutzes gemeint, sondern auch ein grundsätzlicher Dissens über die wirtschaftspolitische Richtung in Mittel- und Osteuropa.

Während Berlin auf Dekarbonisierung setzt, will Warschau ausgerechnet in Küstennähe fossile Ressourcen in industriellem Maßstab erschließen – mit all den Risiken für Meeresökologie, Tourismus und grenznahe Infrastruktur.

Während Polen vom fossilen Goldrausch träumt, kritisiert die Landesregierung in Schwerin eine „rückwärtsgewandte Industriepolitik“ und fehlende grenzüberschreitende Abstimmung.

Bohrplattform statt Badeurlaub?

Besonders pikant: Die Bohrplattform ist bereits von Usedom aus sichtbar. Sechs Kilometer vor Swinemünde, einem polnischen Badeort unweit der Grenze, liegt das erkundete Feld „Wolin East“.

Sollte sich das Vorkommen bestätigen, wäre es laut Polens Chefgeologe Krzysztof Galos der bedeutendste fossile Fund seit dem Zweiten Weltkrieg – mit einer potenziellen Produktion ab 2028. Was für Polen ein wirtschaftliches Großprojekt ist, erscheint der Tourismusregion auf deutscher Seite wie ein ökologischer Albtraum.

Stillstand in Berlin

Backhaus fordert nun eine Reaktion aus dem Kanzleramt. Schon im Oktober 2024 hatte er die damalige Umweltministerin Steffi Lemke gebeten, das Thema in den Deutsch-Polnischen Umweltrat einzubringen.

Geschehen ist – nichts. Jetzt soll Carsten Schneider, der neue SPD-Minister im Umweltressort, Druck machen. Doch bislang gibt es keine offizielle Stellungnahme aus Berlin, keine parlamentarische Anfrage, keine diplomatische Initiative.

Vertrag verletzt?

Der Kernvorwurf: Polen habe gegen die Espoo-Konvention verstoßen – eine völkerrechtliche Vereinbarung, die Umweltverträglichkeitsprüfungen mit grenzüberschreitender Wirkung regelt.

Die Probebohrungen wurden laut Landesumweltministerium bereits 2024 durchgeführt. Dass die Bundesländer mit direktem Umweltbezug dazu nicht informiert wurden, sei ein eklatanter Verstoß gegen den Kooperationsgrundsatz, so Backhaus.

Risse in der deutsch-polnischen Partnerschaft

Der Vorfall zeigt, wie fragil die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Warschau inzwischen ist – selbst bei zentralen Fragen wie Energie, Umwelt und Infrastruktur.

Polen investiert massiv in Energieautarkie, setzt auf Kohle, Atomkraft, LNG und nun offenbar auch auf konventionelle Ölförderung. Deutschlands Nachbarn sind längst nicht mehr die Juniorpartner, sondern Akteure mit eigenem geopolitischen Anspruch. Dass dabei Absprachen ignoriert werden, ist keine Ausnahme mehr, sondern zunehmend Realität.

Ein geopolitischer Lackmustest

Was auf den ersten Blick nach einem Umweltkonflikt zwischen zwei Ostsee-Anrainern aussieht, ist in Wahrheit ein geopolitischer Lackmustest. Wer bestimmt über grenznahe Ressourcen? Wie verbindlich sind Umweltabkommen, wenn es um nationale Interessen geht? Und wie handlungsfähig ist die Bundesregierung, wenn sie vor vollendete Tatsachen gestellt wird?

Für die Landesregierung in Schwerin ist klar: Die deutsche Ostsee darf nicht zur industriellen Rohstoffgrenze werden. Für Polen hingegen ist der Fund ein strategischer Glücksgriff – und womöglich erst der Anfang einer neuen, fossilen Energiepolitik im eigenen Küstenstreifen.

Ein starkes Signal – in alle Richtungen

Noch sind es nur Bohrlöcher im Meeresboden. Doch was daraus wird, könnte das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen neu definieren – wirtschaftlich, ökologisch und diplomatisch.

Dass die Bundesregierung bisher schweigt, ist eine politische Aussage für sich. Vielleicht aber auch eine Einladung an jene, die den Umwelt- und Klimaschutz wieder ernst nehmen wollen – nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf See.

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