Ein Konzern in Dauerkrise
Die Personalie war am Ende schneller entschieden, als viele erwartet hatten: Evelyn Palla, bisher erfolgreiche Managerin von DB Regio, soll den gesamten Konzern führen.
Die Ernennung ist eine klare Ansage aus Berlin: Reformen dürfen nicht länger warten. Doch ein Blick auf die Probleme zeigt, dass selbst eine durchsetzungsstarke Chefin nicht ausreicht, solange Politik und Strukturen unverändert bleiben.
1. Baustellen ohne Ende
Über 40 zentrale Strecken sollen bis 2036 generalsaniert werden. Dafür setzt die Bahn auf Vollsperrungen – monatelang lahmgelegte Magistralen wie die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim sind erst der Anfang.
Kritiker sprechen von kosmetischen Eingriffen in einem überlasteten System. Milliarden aus dem Sondervermögen Infrastruktur stehen bereit, doch Verbände wie Mofair zweifeln, ob die Mittel effizient eingesetzt werden.
2. Mehr Wettbewerb oder Staatsmonopol?
Im Regionalverkehr und bei DB Cargo hat die Bahn bereits Marktanteile verloren, ohne dass das System kollabierte. Im Fernverkehr dagegen bleibt die Konkurrenz marginal. Länder wie Spanien und Italien zeigen, dass mehr Anbieter sinkende Preise und bessere Qualität bringen können.
Doch die Bundesregierung scheut eine klare Entscheidung. Soll der ICE-Markt geöffnet werden – oder bleibt er ein Quasi-Monopol mit überhöhten Ticketpreisen?
3. Der Schuldenberg wächst
Die DB ist mit über 20 Milliarden Euro verschuldet. Zwar brachte der Verkauf der Logistiktochter Schenker Milliarden ein, doch die Löcher bleiben groß. DB Cargo droht wegen EU-Regeln sogar die Zerschlagung.

Gleichzeitig explodieren Kosten: Energie, Personal und steigende Trassenpreise belasten das Ergebnis. Die neue Chefin muss entscheiden, ob sie die Bahn schlanker und profitabler aufstellt – oder ob der Staat dauerhaft stützen muss.
4. Überfüllte Netze, steigender Druck
Anders als Frankreich oder Spanien setzt Deutschland ICE, Regional- und Güterzüge auf dasselbe Netz. Jeder Ausfall oder jede Baustelle bringt den Fahrplan ins Wanken. Das Ziel, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln, wirkt unter diesen Bedingungen illusorisch. Entweder wird massiv neu gebaut – oder die Kapazität des Netzes bleibt der Flaschenhals des Systems.
Evelyn Pallas Mission
Die neue Bahnchefin übernimmt keinen gewöhnlichen Job, sondern ein politisches Hochrisiko-Mandat. Sie muss Prioritäten setzen, Reformen anstoßen und den Konzern neu ausrichten – und das in einem Umfeld, in dem Verkehrsministerium, Finanzministerium und Kanzleramt unterschiedliche Vorstellungen haben.
Ihre Zeit als erfolgreiche Regio-Chefin gilt als Blaupause. Doch jetzt geht es nicht mehr um einzelne Teilbereiche, sondern um das Rückgrat der deutschen Verkehrsinfrastruktur.
Klare Entscheidungen statt Symbolpolitik
Die Bahnkrise ist größer als eine Personalfrage. Ob Evelyn Palla die Chance hat, den Konzern aus der Dauerkrise zu führen, hängt weniger von ihrem Willen ab – sondern davon, ob die Politik endlich bereit ist, die entscheidenden Fragen zu beantworten: Wie viel Wettbewerb? Wie viel Staat? Wie viel Geld? Solange diese Antworten fehlen, bleibt die Bahn ein Symbol für das Dilemma deutscher Infrastrukturpolitik.
