Netflix richtet den Boden neu nach: Nicht nur Empfehlungen, auch Trailer und ganze Erzählwelten sollen bald für jeden Zuschauer maßgeschneidert werden. Aus neuen Patenten geht hervor, wie der Streamingdienst mithilfe künstlicher Intelligenz und Machine Learning personalisierte Vorschauen erstellt, die exakt ins Profil passen – zur Steigerung von Verweildauer und Engagement.
Trailer nach Baukastenprinzip
Eine Netflix-Patentanmeldung beschreibt ein System, das aus Szenen verschiedener Genres, Schauspieler oder Stimmungen einen individuellen Trailer zusammensetzt.
Gerät ein User oft im Reißer-Genre ins Stocken, erhält er künftig Spannung statt Drama. Der Clou: Es entsteht kein statischer Clip, sondern ein dynamischer Baukasten – ein individueller Trailer, der sich aus einem großen Pool an Filmsequenzen zusammensetzt.
Interaktivität 2.0: Choose-your-own-Netflix?
Ein weiteres Patent lässt erkennen, dass Netflix an interaktiven Formaten plant – basierend auf Machine-Learning-Modellen, die Nutzerpräferenzen erkennen.
Anders als bei früheren Formaten mit festgelegten Entscheidungspfaden soll künftig künstliche Intelligenz im Hintergrund abwägen, welche Handlungsoptionen dem User gefallen. Storytelling wird dadurch flüssiger und intuitiver.
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Nutzen & Wirkung
Netflix zielt mit den Entwicklungen auf zwei bekannte Herausforderungen: die unüberschaubare Auswahl und die stagnierende Nutzerbindung. Automatisierte, auf Stimmung und Verhalten zugeschnittene Trailer sollen nicht nur mehr Zuschauer abholen, sondern sich auch leichter viral verbreiten.
Zudem passt das Konzept zur werbegetriebenen Zukunft des Unternehmens: Mehr Engagement bedeutet längere Sitzungen – und damit mehr Werbekontakte.
Alltagserprobung bereits im Gang
Schon heute setzt Netflix KI ein, um Empfehlungen, Suchfunktionen und die Startseite zu verbessern. In Echtzeit werden Inhalte je nach Stimmung, Tageszeit und Nutzerverhalten angepasst.
Generative KI-Tools für Text- und Bildvorschläge sind bereits integriert. Auch in der Filmproduktion selbst testet Netflix automatische Szenenauswahl, Schnittvorschläge und Sprachmodell-basierte Skriptentwicklung.
Risiken & Nebenwirkungen
Doch der Fortschritt hat seinen Preis: Kritiker befürchten eine zunehmend algorithmisch gelenkte Medienwelt, in der Nutzer nicht mehr entdecken, sondern nur noch „serviert“ bekommen, was passt. Die gezielte Ansprache über Trailer könnte emotionale Manipulation erleichtern – eine Art psychologisches Targeting in Bewegtbildform.
Zudem bleibt unklar, ob all diese Entwicklungen tatsächlich umgesetzt werden. Viele Patente dienen auch strategischen Zwecken – sei es als Schutz für zukünftige Optionen oder als Signal an Konkurrenten.
Die Zukunft wird persönlich
Mit individualisierten Vorschauen und KI-getriebenen Erzählformen könnte Netflix nicht nur das Nutzererlebnis, sondern das gesamte Medium Film neu definieren.
Der Streaminggigant will wieder Vorreiter sein – diesmal nicht mit Inhalten, sondern mit Technologie. Das Ziel ist klar: mehr Aufmerksamkeit, mehr Bindung, mehr Zeit auf der Plattform.
Ob das reicht, um sich gegen wachsende Konkurrenz zu behaupten – oder ob personalisierte Trailer bald das neue Netflix-Intro werden – entscheidet am Ende der Zuschauer. Oder vielmehr: der Algorithmus.
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