Tesla will keine Störer mehr – außer sie sind Milliardäre
Der Fall war spektakulär, das Urteil noch mehr. Anfang 2024 hatte eine Richterin im US-Bundesstaat Delaware das Vergütungspaket für Elon Musk gekippt – ein Paket, das beim aktuellen Kurs über 100 Milliarden Dollar wert ist.
Auslöser war eine Klage eines Kleinaktionärs, der monierte, Musk habe bei der Genehmigung zu viel Einfluss ausgeübt – und die übrigen Aktionäre seien darüber im Unklaren gelassen worden. Nun zieht Tesla Konsequenzen. Aber nicht gegen Musk – sondern gegen jene, die ihn kontrollieren wollten.
In einer Satzungsänderung beschloss der Konzern, dass künftig nur noch Aktionäre mit mindestens drei Prozent der Anteile im Namen des Unternehmens gegen Manager oder Verwaltungsratsmitglieder klagen dürfen. Für die meisten privaten Investoren ist das ein Ausschluss auf Raten.
Was Texas erlaubt, nutzt Tesla konsequent
Juristisch möglich macht diesen Schritt eine Gesetzesänderung in Texas, wohin Tesla seinen offiziellen Sitz 2024 verlegte – kurz nach dem verlorenen Prozess in Delaware.
Die Texanischen Regularien erlauben es, den Klagezugang in Unternehmenssatzungen massiv einzuschränken. Eine Reaktion auf über Jahre gewachsene Frustration in der US-CEO-Szene über zunehmend aktive Minderheitsaktionäre, die sich auf Gerichte stützen, um Vergütungen, Übernahmen oder ESG-Verstöße anzufechten.

Tesla nutzt diese neue Freiheit – und setzt ein deutliches Zeichen: Klagen sollen nur noch möglich sein, wenn der Kläger auch signifikante Anteile hält. Aus Sicht des Unternehmens: Schutz vor "nervigen Kleinanlegern". Aus Sicht der Governance-Experten: ein Rückschritt in der Aktionärsdemokratie.
Der vergoldete Vertrag – und was daran juristisch scheiterte
Das 2018 geschnürte Paket für Musk war ambitioniert – und hochdotiert. Der Plan sah vor, dass Musk bis zu 300 Millionen Aktienoptionen erhält, sofern Tesla gewisse Umsatz- und Kursziele erreicht.
Innerhalb weniger Jahre wurden diese Ziele übertroffen. Die Folge: ein Bonus mit einem rechnerischen Marktwert von mehr als 100 Milliarden US-Dollar. Musk hätte die Aktien zum Kurs von 2018 erwerben können – zu einem Bruchteil des heutigen Preises.
Doch die Sache hatte einen Haken: Laut Gericht in Delaware wurde das Paket unter Bedingungen genehmigt, die die Unabhängigkeit des Verwaltungsrats infrage stellen.
Musk soll bei der Aushandlung massiv mitgewirkt haben, obwohl er faktisch auf der Gegenseite saß – ein klassischer Interessenkonflikt, so die Richterin. Zudem seien entscheidende Informationen gegenüber den Anteilseignern zurückgehalten worden.
Aktionäre stimmten später doch zu
Kurios: Nachdem der Prozess öffentlich wurde, stimmten die Aktionäre bei der Hauptversammlung 2024 dem Paket erneut zu – nun mit deutlich mehr Hintergrundinformationen.
Doch das Gericht zeigte sich unbeeindruckt. Der ursprüngliche Verfahrensfehler bleibe bestehen, so die Begründung. Tesla legte Berufung ein – doch auf das Verfahren in Delaware hat der Umzug nach Texas keinen Einfluss. Der Fall läuft weiter – und das Vergütungspaket bleibt vorerst blockiert.
Was die Drei-Prozent-Hürde in der Praxis bedeutet
Die neue Regel betrifft die sogenannten „Derivative Suits“, also Klagen im Namen des Unternehmens. In der Praxis nutzten insbesondere Kleinaktionäre und Aktivisten diesen Hebel, um Managemententscheidungen juristisch überprüfen zu lassen.
Die Hürde von drei Prozent ist für normale Anleger unerreichbar – sie entspricht bei Tesla aktuell einer Beteiligung von rund 18 Milliarden Dollar. Selbst große institutionelle Investoren wie Vanguard oder BlackRock kommen kaum über diese Schwelle – und halten ihre Beteiligung zudem häufig passiv.
Für Governance-Experten ist der Schritt deshalb alarmierend. Er schränke die Kontrollmöglichkeiten massiv ein – und sende das Signal: Managemententscheidungen sollen nicht mehr durch Minderheitsklagen angreifbar sein, selbst wenn berechtigte Bedenken bestehen.
Die neue Strategie: Einfluss durch Ausschluss
Elon Musk, ohnehin bekannt für seine ablehnende Haltung gegenüber Regulierung, hat mit dieser Maßnahme eine neue Stufe gezündet. Nachdem Gerichte seine Vergütung deckelten, wird nun die Justizarchitektur selbst verändert.
Dass dies ausgerechnet mit dem Hinweis auf Effizienz und Schutz vor „Missbrauch“ geschieht, erinnert Kritiker an autoritäre Governance-Modelle – in denen die Kontrolle nicht verbessert, sondern systematisch ausgehebelt wird.
Der Vorgang bei Tesla dürfte in den USA Schule machen – Texas entwickelt sich zu einem neuen Anziehungspunkt für Unternehmen, die Aktionärsklagen erschweren oder ganz verhindern wollen. Delaware, lange Zeit als juristische Heimat börsennotierter Konzerne etabliert, bekommt nun einen liberaleren Gegenspieler.
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